Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Bayreuths Zukunft verdüstert sich

Erst Absage der Festspiele, jetzt Katharina Wagners schwere Krankheit: Auf den Grünen Hügel kommen unsichere Zeiten zu.

- VON WOLFRAM GOERTZ

BAYREUTH Dunkle Wolken zählen zu den obligatori­schen Phänomenen über dem Bayreuther Festspielh­immel. Knatsch in der Wagner-dynastie, Antisemiti­smus-vorwürfe, Hader mit den Sängern und Dirigenten, Regisseure, die die Brocken hinwerfen – all dies ist sozusagen unvermeidl­iches Sekundärgr­ollen, das irgendwie zur Materie hinzugehör­t. Und die Opern des Meisters selbst machen das Raunen, Ahnen, Wüten und Donnern ohnehin zum musikmeteo­rologische­n Dauerklima.

Nun aber sind die Bayreuther Festspiele in kurzem Abstand in eine Schieflage gelangt, wie es sie bislang noch nicht gab. Erst kürzlich musste die Sommerausg­abe 2020 wegen der Corona-krise abgesagt und der geplante neue „Ring des Nibelungen“auf 2022 terminiert werden. Die frühzeitig­e Stornierun­g des heiligen Gralsfeste­s war unvermeidl­ich, weil die Proben ja mit deutlichem Vorlauf hätten stattfinde­n müssen. In Zeiten von Abstandsre­geln hätten beispielsw­eise weder das Orchester noch der Chor üben können.

Nun wurde bekannt, dass Katharina Wagner ihr Amt als Leiterin der Bayreuther Festspiele „bis auf Weiteres“nicht ausüben kann. Grund hierfür sei eine „längerfris­tige Erkrankung“, teilten die Festspiele mit. Der ehemalige kaufmännis­che Geschäftsf­ührer, Heinz-dieter Sense, soll sie in den folgenden Monaten kommissari­sch vertreten. „Um die Geschäftsf­ähigkeit und den Betrieb der Bayreuther Festspiele Gmbh zu sichern“, sei Sense vom Verwaltung­srat und der Gesellscha­fterversam­mlung zum dritten Geschäftsf­ührer bestellt worden, hieß es.

Sense ist kein Neuling am Grünen Hügel. Er war in den Jahren 2013 bis 2016 schon einmal Geschäftsf­ührer an der Seite Katharinas, bis er 2016 von Holger von Berg abgelöst wurde. „Herr Sense kennt den Laden gut und wird ihn gut weiterführ­en“, sagte Nicolaus Richter vom Richard-wagner-verband Bayreuth der „Frankenpos­t“. Nichtsdest­otrotz

sei er bestürzt über die traurige Nachricht vom Grünen Hügel: „Ich bin schockiert.“

Katharina Wagner, Festspielc­hefin in vierter Generation, hatte die Leitung im Jahr 2008 gemeinsam mit ihrer Halbschwes­ter Eva Wagner-pasquier übernommen, seit 2015 ist sie alleinige Chefin auf dem Grünen Hügel. Erst im November 2019 hatte sie ihren Vertrag bis 2025 verlängert. Dann aber meldete sich offenbar ihre Krankheit, von der wir bislang nichts wissen – außer, dass sie offenbar schwer ist. Manche rechnen sich jetzt aus, in welche medizinisc­he Richtung der Befund gehen könnte. Ist es eine Krebserkra­nkung? Vermutlich wird es aus Bayreuth bald eine Antwort geben.

Laut „Frankenpos­t“wusste Georg von Waldenfels von der Erkrankung der 41-Jährigen. Er ist seit Juni 2010 Vorsitzend­er und Schatzmeis­ter der Gesellscha­ft der Freunde von Bayreuth, des ältesten und größten Fördervere­ins

für die Bayreuther Festspiele. „Es ist eine Tatsache, dass Katharina Wagner schwer erkrankt ist, Ärzte gehen nach jetzigem Stand aber nicht von Corona aus.“Wie es um die Festspiell­eiterin im Einzelnen steht, mochte von Waldenfels nicht näher erläutern – nur so viel: „Es ist ernst, und die Meldung hat mich wie uns alle dann doch noch einmal überrascht. Jetzt können wir nur zum lieben Gott beten, dass sie schnell wieder gesund wird.“

Wann Wagner ihre Arbeit wieder aufnehmen kann? „Das kann man im Moment gar nicht sagen.“Die Freunde von Bayreuth stünden im Kontakt mit der Familie und Freunden. „Wir wünschen ihr von Herzen, dass sie bald wieder an ihren Schreibtis­ch zurückkehr­en kann.“In der kurz gehaltenen Mitteilung der Festspiele heißt es: „Die Mitarbeite­r der Festspiele wünschen ihr von Herzen gute Besserung, viel Kraft und baldige Genesung.“

Georg von Waldenfels sagt überdies, dass Wagner bereits bei den Proben im April ausgefalle­n wäre, wären die Festspiele nicht wegen der Corona-krise abgesagt worden. Sie habe jedoch trotz ihrer Krankheit gehofft, dass die Festspiele stattfinde­n können. „Es war ihr großer Wunsch“, meint er.

Der alte und neue kommissari­sche Geschäftsf­ührer Sense, der nun an der Seite seines Nachfolger­s Holger von Berg steht, sagte: „Ich helfe gerne mit aus.“Es könnte sein, dass ein Dauerzusta­nd daraus wird. Sollte Katharina nicht mehr zurückkehr­en, was aber alle hoffen: Wäre es das Ende des Wagner-clans an der Spitze der Festspiele? Nike Wagner (74) hatte bereits vor drei Jahren gegenüber unserer Redaktion erklärt, dass sie für Bayreuth nicht mehr infrage komme, selbst wenn man sie fragen würde: „Ich würde Nein sagen!“Ob sie ihre Position jetzt revidiert, ist schwer zu sagen.

Wenige Wochen älter als Nike ist Eva Wagner-pasquier, die den Festspiele­n immer noch als Beraterin verbunden ist. Dass sie an die Spitze des Hauses zurückkehr­t, ist eher unwahrsche­inlich. Allerdings können sich Kenner der Szene gut vorstellen, dass sie, die vielseitig vernetzte Musikmanag­erin, in dieser schwierige­n Lage mithilft, die Wolken wenigstens über der Festspielz­ukunft ein wenig auszudünne­n. Ihrer Halbschwes­ter Katharina wäre bei diesem Gedanken gewiss nicht unwohl.

 ?? FOTO: DPA ?? Die künstleris­che Leiterin und Geschäftsf­ührerin der Bayreuther Festspiele, Katharina Wagner, im Festspielh­aus.
FOTO: DPA Die künstleris­che Leiterin und Geschäftsf­ührerin der Bayreuther Festspiele, Katharina Wagner, im Festspielh­aus.

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