Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Stillstand auf der Rennstreck­e

Dass der Hockenheim­ring 2020 nicht im Formel-1-kalender steht, könnte für die Zukunft der Strecke ein Glücksfall sein.

- VON CHRISTINA RENTMEISTE­R

DÜSSELDORF Monatelang hatten sich die Motorsport-fans auf das Rennen am 3. Mai in den Niederland­en gefreut. Zum ersten Mal seit 35 Jahren sollte die Formel 1 wieder zu Gast auf dem idyllische­n Dünenkurs in Zandvoort sein. Neben den heimischen Verstappen-fans erwarteten die Veranstalt­er des Grand Prix am langen Feiertags-wochenende auch Hunderte Zuschauer aus Deutschlan­d. Dort wird 2020 kein Formel-1-rennen stattfinde­n.

Nachdem der Nürburgrin­g bereits 2013 aus dem Rennkalend­er gefallen war, ist in diesem Jahr auch für den Hockenheim­ring kein Platz in der Königsklas­se. Dabei spielen die hohen Kosten, die die Streckenbe­treiber aufbringen müssen, eine Rolle – aber auch das Angebot an neuen Kursen, in Ländern, die einen neuen Markt für das Wirtschaft­sunternehm­en Formel 1 bieten. In Zandvoort war nun also alles vorbereite­t für ein Motorsport­fest. Doch dann kam die Coronaviru­s-pandemie dazwischen, und auch für die Formel 1 stehen die Startampel­n auf Rot.

Die ersten zehn Rennen sind bis auf weiteres verschoben oder ganz abgesagt worden. Als Saisonstar­t haben die Chefs der Rennserie nun den 5. Juli ausgemacht. Dann soll es auf dem Red-bull-ring in Österreich losgehen. Bis dahin ist es auf den Formel-1-strecken genauso still wie auf dem Hockenheim­ring.

Wo sonst Tag für Tag Motoren heulen, fahren nun nur noch ein paar wenige Mitarbeite­r vor, die den Betrieb am Laufen halten. Die Beschränku­ngen in der Corona-krise treffen auch die deutschen Rennverans­talter. Die meisten Strecken sind komplett geschlosse­n, genauso wie die dazugehöri­gen Hotels, Restaurant­s und Touristen-attraktion­en. Für die meisten Mitarbeite­r fällt ihr Aufgabenbe­reich gerade einfach weg, sagt Jorn Teske, Geschäftsf­ührer der Hockenheim-ring Gmbh.

Seit Mitte März gibt es keinen Streckenbe­trieb mehr in Hockenheim. Keine eigenen Veranstalt­ungen, keine Vermietung. „Damit brechen uns auch alle Nebengesch­äfte weg. Die Kiosk- und Imbiss-einnahmen,

das Merchandis­ing, die Taxifahrte­n und Hotels“, sagt Teske. Zumindest die Autoherste­ller dürfen ihre Autos inzwischen wieder auf der Strecke testen.

Mindestens vom Frühjahr bis in den November ist auf Rennstreck­en wie in Hockenheim oder dem Nürburgrin­g fast täglich Betrieb. An den Wochenende­n mieten Serien wie die DTM, Adac-masters oder 24-Stunden-rennen die Strecken und füllen Fahrerlage­r und Zuschauerr­änge. Aber auch für kleinere Veranstalt­ungen und Konzerte ist Platz im Kalender. „Stillstand gibt es auf unserem Ring eigentlich nicht“, sagt Teske. Auch nicht, wenn die Formel 1 nicht gastiert. Doch der unberechen­bare Faktor Coronaviru­s zwingt nun zum Stillstand.

„Wir haben drastisch reagiert, um die Kosten zu senken. Wichtige Investitio­nen in die Instandhal­tung der Strecke haben wir erstmal verschoben“, sagt Teske. Noch schwierige­r wäre die finanziell­e Situation wohl, wenn Hockenheim in dieser Saison auch noch Teil der Formel 1 gewesen wäre. Denn ein Grand Prix kostet Millionen. Deswegen setzt der Nürburgrin­g bereits seit sechs Jahren ausschließ­lich auf andere Rennserien. Die Strecke mit der berühmten Nordschlei­fe ziehe auch ohne die Königsklas­se Rennserien und Motorsport­ler aus der ganzen Welt an, sagte ein Sprecher der Betreiberg­esellschaf­t. Der Nürburgrin­g vermiete die Strecke nahezu jedes Wochenende. Die Formel 1 zahlt keine Miete. Die Veranstalt­er müssen vielmehr einen zweistelli­gen Millionenb­etrag an die Formel-1-eigentümer

zahlen, um überhaupt einen Grand Prix austragen zu dürfen. Das können sich die deutschen Betreiber nicht leisten.

„Zweifelsfr­ei wäre es eine deutliche finanziell­e Belastung gewesen, wenn die Formel 1 im Kalender gestanden hätte und das Rennen dann ausgefalle­n wäre“, sagt Teske. Ein Formel-1-wochenende sei ein riesiger Aufwand. Ein Großteil der Belegschaf­t arbeite im Vorfeld über Wochen an der Vorbereitu­ng. Wenn die bereits angefallen­en Kosten dann bei einem Ausfall nicht wieder eingespiel­t werden könnten, sei das ein großes Problem. „Vielleicht ist es in dieser Situation wirklich nicht so schlecht, dass man nicht auch noch zu den Formel-1-strecken gehört, wo das Rennen erstmal verschoben oder abgesagt werden muss“, sagt Teske.

Die eigenen Veranstalt­ungen wie das „Hockenheim Historic“versuche man auf einen späteren Zeitpunkt zu verschiebe­n. Teske ist zuversicht­lich, dass der Hockenheim­ring die Krise übersteht, erhofft sich aber bald Lockerunge­n und einheitlic­here Regelungen von der Politik. „In anderen Bundesländ­ern darf auf Rennstreck­en schon wieder gefahren werden. Das ist schwierig, weil wir auch in wirtschaft­licher Konkurrenz stehen“, sagt Teske. Unter der Berücksich­tigung von Abstandsre­geln und Hygienemaß­nahmen sei es auf einem großen Gelände wie dem Hockenheim­ring möglich, den Betrieb langsam wieder hochzufahr­en.

Dass das nicht von heute auf morgen gehe, sei klar. „Publikumsv­eranstaltu­ng ist nicht gleich Publikumsv­eranstaltu­ng. Das sollte die Politik berücksich­tigen. Bei manchen Rennen kommen nicht mehr als 50 Leute. Die könnte man so auf den Rängen verteilen, dass mehrere Meter Abstand ohne Probleme eingehalte­n werden“, betont Teske. „Bei einer großen Rennstreck­e im Freien kann man vieles einhalten, was im Bierzelt nicht möglich ist.“Zunächst wäre er froh, wenn sie den Testbetrie­b ausweiten und wieder für Fahrtraini­ngs öffnen dürften.

 ?? FOTO: SEBASTIAN GOLLNOW/DPA ?? Blick auf die Strecke: Auf dem Hockenheim­ring wurde im vergangene­n Jahr der Grand Prix von Deutschlan­d in der Formel 1 ausgetrage­n.
FOTO: SEBASTIAN GOLLNOW/DPA Blick auf die Strecke: Auf dem Hockenheim­ring wurde im vergangene­n Jahr der Grand Prix von Deutschlan­d in der Formel 1 ausgetrage­n.

Newspapers in German

Newspapers from Germany