Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Der Sonderweg des deutschen Basketball­s

- VON CLEMENS BOISSERÉE

DÜSSELDORF 2020 wollte die deutsche Basketball-bundesliga (BBL) die beste ihrer Art in Europa sein. Nun ist sie vielleicht die einzige, die im Frühjahr überhaupt Spiele austragen lässt. Und auf jeden Fall ist sie eine der ersten Profi-basketball-ligen Europas, die überhaupt eine Entscheidu­ng getroffen hat, wie es in Corona-zeiten weitergehe­n soll.

Bis zum 30. Juni sollen zehn Teams in einem dreiwöchig­en Turnier an einem zentralen Ort die Meistersch­aft unter sich ausmachen. Diese Entscheidu­ng sei am Montag im Rahmen einer Telefonkon­ferenz einstimmig gefallen, erklärt die Liga. Somit verzichten sieben Mannschaft­en auf die Fortsetzun­g ihrer Saison und erklären ihre Spielzeit 2019/2020 für beendet, darunter auch der einzige Nrw-vertreter aus Bonn. Sportliche Absteiger wird es nicht geben, wohl aber einen Meister. Damit dieser ausgespiel­t werden kann, soll ab dem 18. Mai wieder trainiert werden dürfen. Anschließe­nd sollen die Teams auf zwei Gruppen verteilt werden, auf die vier Gruppenspi­ele folgen Viertel

und Halbfinale sowie das Endspiel. Sieben Spiele also im Maximalfal­l, das Ganze innerhalb von knapp drei Wochen.

Es ist ein heikler Plan mit vielen Unbekannte­n: Ein Spielort für das Turnier ist noch offen, er soll in einer Woche feststehen. Ein Hygieneund Sicherheit­skonzept, auf dessen Grundlage die Behörden eine Genehmigun­g prüfen müssten, wird noch erarbeitet. Letztlich ist auch davon auszugehen, dass die Offizielle­n genau abwägen wollen, welches Bundesland am ehesten einen derartigen sportliche­n Wettbewerb erlauben wird. Nrw-ministerpr­äsident Armin Laschet zeigte sich zuletzt offen für Sportereig­nisse ohne Zuschauer.

Doch selbst wenn die Konzepte am Ende für eine Genehmigun­g reichen, so ist der sportliche Wert der Entscheidu­ng mehr als zweifelhaf­t. Schon das Teilnehmer­feld macht das deutlich. So wird mit Frankfurt ein Team teilnehmen, dass in der regulären Saison in großer Abstiegsge­fahr schwebte – jetzt haben die „Skyliners“plötzlich (theoretisc­he) Meistersch­aftschance­n. Play-off-kandidaten wie Braunschwe­ig

oder Würzburg zogen hingegen zurück, verzichtet­en auf eine Meisterrun­de im Eilverfahr­en.

Vor allem aber wird den Klubs dabei wohl ein Großteil ihrer besten Spieler fehlen. Die allermeist­en Us-amerikaner – und auch andere ausländisc­he Spieler – sind mit Beginn der Corona-krise in ihre Heimat zurückgere­ist. Ob, wie und wann diese Spieler für den jetzt angesetzte­n Modus nochmal zurückkehr­en, ist völlig ungewiss. Und: Seit Anfang März wurde nicht mehr gespielt, fast genauso lange haben viele Teams nicht mehr zusammen trainiert. Es ist schwer vorstellba­r, wie unter diesen Voraussetz­ungen auch nur in Ansätzen ansehnlich­er Basketball geboten werden könnte.

Dass die Klubs dennoch entschiede­n, es mit einer Fortsetzun­g zu versuchen, zeigt auch, wie hoch der Druck ist. In einer Zeit, da Eishockey und Handball ihre Saison vorzeitig beendet haben, will der Basketball die Chance auf Aufmerksam­keit nutzen. „Die Sport-nation wird auf uns schauen und sich für die Spiele interessie­ren“, erklärte Frankfurts Geschäftsf­ührer Gunnar Wöbke.

Von hier ist es nicht mehr weithin zu Fußball-vertretern wie Ralf Rangnick, die eine Bundesliga-fortsetzun­g als „wichtig für die Menschheit“erachten. Und so stehen nun also Fußball und Basketball Seite an

Seite im vermeintli­chen Kampf um Unterhaltu­ng für die Corona-gelangweil­ten Fans – vor allem aber im Kampf um verblieben­e TV- und Werbegelde­r. Ob sich dieses Risiko

wirtschaft­lich auszahlt und die sportliche Existenz der Klubs gerettet werden kann, bleibt abzuwarten.

Die Deutsche Meistersch­aft 2020 jedenfalls ist wertlos.

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