Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Jehovas Zeugen in der digitalen Offensive
Marcel Nau und Wolfgang Offelder über interaktives Gemeinschaftserlebnis während der Corona-krise im Netz.
NEUSS Wolfgang Offelder hat eine erstaunliche Beobachtung gemacht. Während der Corona-krise nehmen aktuell mehr Jehovas Zeugen an den Gottesdiensten im digitalen Netz teil als zuvor bei den Zusammenkünften zu „normalen Zeiten“im Königreichssaal in Holzheim. Als die Corona-virus-pandemie ein bundesweites Versammlungsverbot diktierte, standen Kirchen und Religionsgemeinschaften vor großen Problemen.
Die zentrale Frage: Wie leben wir Gemeinschaft in der Krise? Mit einer großen digitalen Offensive überrascht die kleine Gemeinschaft Jehovas Zeugen. Die Gemeinden in Neuss und Kaarst zählen insgesamt rund 250 Mitglieder. Die NGZ führte ein Video-interview mit Nrw-pressesprecher Marcel Nau (42), Düsseldorf, und Wolfgang Offelder (76) aus Neuss.
Herr Nau, Herr Offelder, Jehovas Zeugen haben auf das Versammlungsverbot schnell und innovativ reagiert. Ihre Mitglieder kennen Live-übertragungen bereits seit Jahren. Ein Vorteil für Sie? Für Sie ist die Corona-krise kein kommunikativer Ausnahmezustand? Marcel Nau Das beste ist immer noch die persönliche Begegnung in der Gemeinschaft bei den Gottesdiensten. Wenn es aber die Rahmenbedingungen nicht zulassen, sind Gottesdienste, die im digitalen Netz verfolgt werden können, eine gute Alternative. Aus diesem Grund haben Jehovas Zeugen bereits 2013 für ihre kranken Mitglieder die Möglichkeit geschaffen, über Telefonkonferenzen teilzunehmen. Zu dem haben wir – wenn ich unser Angebot einmal loben darf – eine sehr gute Online-präsenz. Unsere Homepage – jw.org – wird in 1000 Sprachen angeboten. Keine andere Website wird so oft übersetzt. Über Telefon- und Videokonferenzen erreichen wir weltweit alle Jehovas
Zeugen mit einem einheitlichen Programm. Ja, auf dieser Basis ist es uns womöglich leichter als anderen gefallen, schnell und erfolgreich auf das Versammlungsverbot zu reagieren. WOLFGANG OFFELDER Wir hatten unsere letzte Zusammenkunft am 14. März und haben unsere Gemeinden im Anschluss sofort informiert als das Versammlungsverbot ab dem 16. März ausgesprochen wurde. In unseren Neusser Gemeinden ist seither kein Gottesdienst ausgefallen. Wenn Technik einem guten Zweck dient, ist es richtig und wichtig, sie frühzeitig zu nutzten. Das machen wir.
Stoßen denn diese technischen Neuerungen bei allen Mitgliedern auf Zustimmung? Haben alle das technische Equipment? Können ältere Menschen die Technik bedienen?
Nau Im Ziel sind wir alle einig. Jedem Jehovas Zeugen soll die Möglichkeit eröffnet werden, an den Gottesdiensten teilzunehmen. Es darf niemand ausgegrenzt werden. Wer sich in diesem Ziel einig ist, der lässt es nicht an den technischen Voraussetzungen scheitern. Ich denke, jeder Zeuge verfügt inzwischen über ein Endgerät. Offelder Wie alle Gemeindemitglieder bin auch ich ganz begeistert, wie gut es digital läuft. Unseren älteren Zeugen haben wir mit viel Geduld die neue Technik nähergebracht – und das mit Erfolg. Sie machen engagiert mit.
Aber bei aller Begeisterung für die Technik, um Gemeinschaft zu leben, bedarf es doch der persönlichen Begegnung, oder? Nau Natürlich warten wir wie alle anderen Menschen auch darauf, dass wir uns wiedersehen und in den Arm nehmen können. Aber so lange wir im Kampf gegen das Virus stehen, müssen wir die digitalen Möglichkeiten nutzen. Ich erlebe Gemeinden bei Jehovas Zeugen, die vital in der Krise sind und einen tollen Zusammenhalt zeigen. Wir erhalten viele Danknachrichten für unser umfassendes Angebot. Dank Audio- und Videoübertragungen sind unsere Gottesdienst-angebote auch interaktiv. Die Teilnehmer können nicht nur zuschauen, sondern sie können sich auch aktiv beteiligen und austauschen. Das ist sehr gut. Offelder Ich empfinde den Kontakt über das Netz als sehr angenehm und doch lebendig.
Jetzt sollen Präsenz-gottesdienste wieder möglich sein. Wie reagieren Sie? Offelder Bis auf weiteres werden unsere Gottesdienste über Online-videokonferenzen abgehalten. Da unsere Gottesdienste sehr gut besucht werden, wollen wir angemessen reagieren, wenn es darum geht, bestimmte Einschränkungen wieder aufzuheben. Der Schutz unserer Gemeindemitglieder hat hier oberste Priorität.
Zu Jehovas Zeugen gehört Mission auf Straßen und an Haustüren. Wie reagieren Sie bei dieser Aufgabe? Nau Mission durch Hausbesuche oder an Info-ständen fällt derzeit flach. Wir bieten aber in dieser Krise, die für viele Menschen eine schwere Zeit ist, verbunden mit dem Wunsch nach Orientierung, über moderne Kommunikationswege ohne physische Präsenz Kontakt an. Dazu informieren wir auf unserer Homepage. Wir registrieren eine rege Nachfrage und nehmen dann Kontakt zeitnah auf.