Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

„Fühle mich beruflich unterforde­rt“

Am Donnerstag gastiert Appelt bei der „Drive-in-comedy“– davon will er noch seinen Enkelkinde­rn erzählen.

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Herr Appelt, sind Sie nicht mittlerwei­le eingeroste­t? Ingo Appelt Nein, eigentlich nicht. Ich habe sehr viel zu tun. Ich habe für ein Kabarett in Franken die komplette Moderation von zu Hause aus gemacht. Es ist alles ein bisschen anders und entzerrter. Ich war aber überrascht, wie technisch aufwendig es war, eine Moderation aus dem Wohnzimmer zu machen. Ich habe drei Tage gebraucht, um das alles zu realisiere­n. Da merkt man mit einer gewissen Demut, wie schön es ist, wenn alles wieder normal funktionie­rt und man wieder einen Kameramann, einen Tontechnik­er und das Publikum hat.

Also moderieren Sie derzeit von zu Hause aus? Appelt Teilweise. Ich habe auch etwas für den Bayerische­n Rundfunk gemacht, da sind die Vorgaben etwas härter. Ich drehe teilweise auch im Studio mit einem Kameramann und einem Redakteur. Das ist eine Art Homeoffice.

Wie lange haben Sie jetzt Pause gehabt? Appelt Ich hatte keine richtige Pause, aber meine Frau dreht durch. Sie arbeitet im Quatsch-comedy-club, und der bleibt bis Ende Juli zu. Das ist eine lange Zeit.

Wie hart trifft die Corona-krise ihre Branche? Appelt Sehr hart. Ich habe schon zu meinem Vater gesagt: Ich und die Prostituie­rten dürfen als letztes ran. Da sieht man mal, was für eine ähnliche Dienstleis­tung das ist. Wir arbeiten sehr intim, auf engstem Raum. Ich kann diese Comedy vor leerem Haus nicht mehr sehen. Ich habe auch viele Sketche gemacht und eher im Filmformat gedreht, beispielsw­eise Game of

Thrones nachgestel­lt. Man beneidet Kollegen, die ihre Serien weiterdreh­en können.

Wie viele Auftritte mussten Sie wegen der Krise absagen? Appelt Es ist eigentlich Hochsaison. Bis in den Sommer rein haben wir alles verlegt, wir arbeiten ab September wieder. Gut 40 Auftritte sind ausgefalle­n. Die Miete fällt weiter an, der Unterhalt muss bezahlt werden. Wenn eine Show ausfällt, betrifft es ja auch nicht nur mich, sondern auch jeden einzelnen, der irgendwie an der Realisieru­ng des Abends mitgewirkt hat. Da kommt schon einiges zusammen.

Wie groß ist die Vorfreude auf den Auftritt in Kaarst? Appelt Ich bin wirklich froh und dankbar, dass Kaarst dieses Event für uns realisiert. Ich finde es ganz toll, dass sie mich gefragt haben. Man ist einfach froh, dass man wieder etwas machen kann. Von den Veranstalt­ern ist es eine Wohltat, Geld verdienen werden die mit diesem Format wohl eher nicht. Dabei sind es gerade auch die örtlichen Veranstalt­er, die die Corona-krise besonders empfindlic­h trifft.

Sie sind schon lange im Geschäft, eine solche „Drive-in-comedy“ist für Sie sicher auch eine neue Erfahrung. Wie finden Sie die Idee? Appelt Ich habe als Kind in der Nähe eines Autokinos gewohnt und bin da öfter dran vorbeigefa­hren. Aber drin war ich noch nie. Man denkt, es ist total out, aber auf einmal ist es der heiße Scheiß. Es ist ein Abenteuer, ein Experiment. Ich werde meinen Enkelkinde­rn noch davon erzählen. Diese Zeit werden wir nicht vergessen.

Ihre Zuschauer sitzen in Autos. Ist das nicht ein bisschen komisch für Sie? Normalerwe­ise sitzt das Publikum ja direkt vor Ihnen… Appelt Die Zuschauer können ja hupen oder das Fenster aufmachen. Ich habe keine Ahnung, was auf mich zukommt und lasse mich überrasche­n.

Bereiten Sie sich auf den Auftritt vor? Appelt Ich weiß es nicht. Meine Vorbereitu­ng sieht so aus, dass ich Torsten Sträter anrufe und frage, auf was ich achten muss. Man kann sich auf so etwas nicht vorbereite­n. Die Hauptsache ist aber, dass die Leute wieder rauskommen. Es geht mir genau so, ich weiß auch nicht mehr, was ich abends machen soll.

Werden Sie Ihren Auftritt in irgendeine­r Form verändern? Oder müssen Sie es sogar? Appelt Ich habe keine Ahnung. Ich weiß momentan auch noch nicht, wie die technische­n Gegebenhei­ten sind. Ich lasse das alles auf mich zukommen. Aber ich bin schon scharf drauf, wieder etwas zu machen. Ich bleibe schon bei Leuten am Balkon stehen und mache Witze, weil ich beruflich unterforde­rt bin.

In der vergangene­n Woche wurde die Maskenpfli­cht in NRW eingeführt. Treten Sie mit Maske auf? Appelt Ich weiß gar nicht, ob es sein muss. Wenn ich mit Maske auftreten muss, könnte es witzig werden. Ich habe immer meine Gummihands­chuhe, eine Maske und Desinfekti­onsmittel dabei. Auch, um die Leute zu beruhigen. Mir tun nur die Kinder leid, die ihren Geburtstag nicht feiern können.

Wie erleben Sie die aktuelle Corona-krise? Appelt Anfangs habe ich noch Witze über die Krise gemacht, aber mittlerwei­le nehme ich das sehr ernst. Wie die meisten hatte ich das Ausmaß so nicht erwartet. Wir in Deutschlan­d haben den riesen Vorteil, dass wir noch viele freie Intensivbe­tten haben, weil wir uns rechtzeiti­g an die Schutzmaßn­ahmen gehalten haben.

Sie als Comedian: Haben Sie ein Rezept, wie die Bürger einigermaß­en gut gelaunt durch die Krise kommen? Appelt Man sollte die Dinge wie immer im Leben nicht so eng sehen und bedenken, wie privilegie­rt wir eigentlich sind. Es gibt viele Menschen, die trifft es härter als uns, die wirklich um ihre Existenz fürchten und kein Geld zur Verfügung haben. Im Großen und Ganzen leben wir in einem Land, das die Krise sehr, sehr gut meistert. Wir sind alle gut versorgt

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FOTO: AVA ELDERWOOD War noch nie zuvor in einem Autokino: Ingo Appelt.

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