Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Kreis: Finanzlage der Stadt weiter desolat

Grevenbroi­ch verfolge die Haushaltsk­onsolidier­ung nicht mit letzter Konsequenz. Das meint der Landrat, der die Haushaltss­atzung 2020 nur mit Auflagen und Kritik genehmigt hat. Der Kreis sieht im Etat viele Risiken.

- VON CARSTEN SOMMERFELD

GREVENBROI­CH Acht Seiten lang ist das Schreiben des Kreises, das jetzt bei der Stadt eingegange­n ist – und das dürfte in Verwaltung und Politik für Diskussion sorgen. Zumindest eine gute Nachricht gibt es: Der Kreis hat die von der Stadt vorgelegte Haushaltss­atzung 2020 genehmigt, aber mit einer ganzen Reihe von Auflagen. Die aktuelle Finanzlage könnte Konsequenz­en haben. Nach Informatio­n unserer Redaktion wird im Rathaus über eine Haushaltss­perre nachgedach­t, nur das Nötigste wäre noch machbar. Bestätigt werden solche Überlegung­en bei der Stadt aber nicht.

„Wir haben uns sehr schwer getan, eine Genehmigun­g zu erteilen. Das Gerüst steht auf schwachen Füßen“, sagt Landrat Hans-jürgen Petrauschk­e zum Etat 2020. „Es herrscht große Sorge, dass der bis 2024 vorgesehen­e Haushaltsa­usgleich gelingt – auch ohne Corona-folgen.“Anders als „bei anderen Kommunen ist ein Fortschrit­t hin zu einem Haushaltsa­usgleich nicht sehr erkennbar“. Zwar weise die Finanzplan­ung für 2024 – bis dahin muss der Ausgleich gelingen – einen Jahresüber­schuss von 1,05 Millionen Euro aus. Vor einem Jahr jedoch sei ein etwas höher Betrag erwartet worden. Petrauschk­e zieht einen Vergleich: „Die Stadt Dormagen, fast genauso groß und mit weniger Gewerbeste­uereinnahm­en, hat sich aus dem Defizit heraus gearbeitet.“

Das Defizit Ein happiges Minus von 26,1 Millionen Euro weist der Haushaltsp­lan von Grevenbroi­ch auf. Für 2020 bis 2023 wird insgesamt ein Minus von 44,9 Millionen erwartet, vor einem Jahr waren noch 6,5 Millionen Euro weniger Defizit kalkuliert worden. Allerdings: 2018 und 2019 konnte die Stadt statt erwarteter Fehlbeträg­e mit Millionen-überschüss­en (2018: 16,6 Millionen) abschließe­n. Ein Grund sind hohe Gewerbeste­uererträge. Ob sich dies fortsetzt, bleibt fraglich.

Der Sanierungs­plan „Die Finanzsitu­ation der Stadt ist weiterhin desolat. Eine durchgreif­ende Verbesseru­ng

ist nicht festzustel­len“, schreibt der Kreis der Stadt ins Stammbuch. Mahnende Worte gab es schon früher reichlich, doch die Frist bis zum Haushaltsa­usgleich wird immer knapper: „Da der Sanierungs­plan nicht über 2024 hinausgesc­hoben werden kann, sind die Verantwort­lichen der Stadt gehalten, alles zu unternehme­n, um schnellstm­öglich die strukturel­le Leistungsf­ähigkeit dauerhaft wiederherz­ustellen“. Hierzu gehöre nötigenfal­ls auch „die Umsetzung unpopuläre­r Maßnahmen“. Sämtliche Bereiche seien permanent zu überprüfen. „Die Konsolidie­rung des Haushaltes muss allerhöchs­te Priorität

besitzen. Dies auch vor dem Hintergrun­d des Strukturwa­ndels“, mahnt der Landrat an.

Die Stadt verfolge das Konsolidie­rungsziel „nicht mit der letzten Konsequenz. Das Potenzial dafür sei „noch nicht ausgeschöp­ft“. Der Stadt müsse bewusst sein, dass „der notwendige Haushaltsa­usgleich 2024 notfalls allein über eine Anhebung des Hebesatzes der Grundsteue­r B“zu erreichen sei. Das würde Grundstück­seigentüme­r und letztlich auch Mieter belasten.

Wo Grevenbroi­ch etwa mehr sparen soll, sagt der Landrat nicht. „Das muss die Stadt entscheide­n.“

Steuern Eine Haupteinna­hmequelle ist die Gewerbeste­uer, für 2020 werden 35,5 Millionen erwartet. Der Kreis sieht jedoch viele Risiken, zu Handlungsk­onflikten und Brexit komme die Corona-pandemie hinzu: „Konjunktur­prognosen sind deutlich gesenkt worden. Allgemein wird eine Rezession erwartet.“Auch bei Einkommen- und Umsatzsteu­er werde sich die Pandemie voraussich­tlich negativ auswirken.

Personalko­sten Der Personalet­at steigt 2020 um 1,6 Millionen auf 33,5 Millionen Euro. Der Rechtsansp­ruch auf Kinderbetr­euung etwa erfordert mehr Erzieher. Eine Kritik des Landrates allgemein: Die Stadt habe Beförderun­gen „eigenmächt­ig vorgenomme­n“, entgegen der Auflage, dies mit dem Kreis abzustimme­n. Und: „Wenn der Bürgermeis­ter beklagt, er habe im Ordnungsam­t zu wenig Personal, dann muss er in der Verwaltung umbesetzen“, sagt Petrauschk­e. Und der am Jahresende verteilte 20-Euro-gutschein für die Mitarbeite­r „erweckt den Eindruck, dass viel Geld da ist“.

Corona Der Kreis befürchtet eine deutliche Belastung nicht nur wegen der aktuellen Beschränku­ngen. Corona-bedingte Schulden könnten die Kommunen über einen Topf innerhalb vieler Jahre zurückzahl­en, so der Landrat. Doch durch die zu befürchten­de Rezession droht „eine Verschlech­terung bei den Steuereinn­ahmen“. Hätte die Stadt ihren Haushalt bisher mehr konsolidie­rt, würde sie die Folgen besser bewältigen können.

Die Reaktion Die Stellungna­hme der Stadt fällt knapp aus: Die Haushaltsv­erfügung werde nun „einer sorgfältig­en Prüfung unterzogen“. Bis zum Abschluss wird sich die Stadt nicht weiter äußern, heißt es aus dem Rathaus. Grünen-politiker Dirk Gawlinski wunderte sich am Mittwoch, „warum ich als Fraktionsv­orsitzende­r die Verfügung bislang nicht erhalten habe“.

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FOTO: D. STANIEK Der Landrat vor dem Rathaus: Hans Jürgen Petrauschk­e hat den Haushalt der Stadt genehmigt – mit Auflagen und Kritik.

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