Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Empörung nach Vergleich mit 1933 in Karis-video

- VON FRANK KIRSCHSTEI­N

KAARST. Der Streit um die Übertragun­g von Ratsbefugn­issen auf den Hauptaussc­huss eskaliert: Josef Karis, FWG, vergleicht die jüngste Entscheidu­ng der Ratsmitgli­eder, nach der wegen der Corona-pandemie bis zum 14. Juni nicht der Stadtrat, sondern der Hauptaussc­huss das oberste Entscheidu­ngsgremium der Stadt ist, mit dem Ermächtigu­ngsgesetz von 1933, mit dem die gesetzgebe­nde Gewalt faktisch auf Hitler übertragen wurde. „Im Kleinen“, so Karis, sei in Kaarst dasselbe geschehen. Veröffentl­icht wurde die Karis-stellungna­hme gestern als Video auf der Facebookse­ite der „Düsseldorf­er Rundschau“, nach eigenen Angaben ein „ehrenamtli­ches Projekt“, um „Menschen eine Stimme zu geben, über die in der örtlichen Presse nicht so häufig berichtet wird.“

Karis wettert in seiner „Ansprache zum 1. Mai“gegen die „Abschaffun­g der Demokratie“. Der Hintergrun­d: FWG und Linke sind im Hauptaussc­huss nur beratend vertreten und haben kein Stimmrecht. Am Ende des Videos, in dem sich Karis mehr und mehr in Rage redet und dabei wild gestikulie­rt (“Kämpft mit mir für die Demokratie in Kaarst! Kämpft mit mir für die Demokratie in ganz Deutschlan­d!“), wird im Hintergrun­d geklatscht und eine Stimme ruft lachend: „Heil mein Führer!“Am späten Nachmittag verschwand das Video plötzlich aus dem Netz. Cdu-vorsitzend­er Lars Christoph hatte das Video bei Facebook zuvor bereits kommentier­t und die Anspielung­en von Karis auf das „Reichsermä­chtigungsg­esetz“als geschichts­vergessen und den „Heilmein-führer!“-ruf aus dem Hintergrun­d als nicht hinnehmbar bezeichnet.

Auf Anfrage der NGZ zeigte sich Karis gestern Abend überrascht. Von einem „Heil-mein-führer“-ruf auf dem Video sei ihm nichts bekannt. Nachdem ihm der Originalto­n der entspreche­nden Passage aus dem Video telefonisc­h vorgespiel­t wurde, erklärte Karis: „Davon weiß ich nichts. Das ist keinesfall­s in meinem Sinne. Damit habe ich nichts zu tun.“Ihm gehe es doch inhaltlich in dem Video genau um die gegenteili­ge Botschaft. Er warne doch gerade vor Strukturen ähnlich denen im Nationalso­zialismus. Seine Kritik und seinen Vergleich mit dem Ermächtigu­ngsgesetz, so betonte Karis gegenüber unserer Redaktion, erhalte er jedoch aufrecht. Das Land habe bei der Möglichkei­t, die Befugnisse des Rates wegen der Corona-pandemie zeitweise auf den Hauptaussc­huss zu übertragen, vorausgese­tzt, dass der Hauptaussc­huss die Mehrheitsv­erhältniss­e im Rat abbilde. Das sei in Kaarst jedoch wegen Änderungen bei der Parteizuge­hörigkeit und in der Struktur der Fraktionen nicht der Fall.

Zum „Heil-mein-führer“-ruf am Ende des Videos meldete sich am Abend Michael Möller, Redaktions­leiter der „Düsseldorf­er Rundschau“und Bundesvors­itzender der Deutschen Sportparte­i, die mit Karis und der FWG in der Vergangenh­eit, etwa im Vorfeld der Landtagswa­hl 2017, kooperiert hat. Möller erklärte gegenüber der NGZ, dass es sich bei dem Ausruf um eine spontane Reaktion auf Tonalität und Gestik zum Ende der Karis-rede gehandelt habe. Ob er selbst oder ein Praktikant, der bei der Aufzeichnu­ng dabei gewesen sei, „Heil mein Führer“gerufen habe, könne er nicht nachvollzi­ehen. Dass das Video so veröffentl­icht wurde, sei ein „klarer Fehler“gewesen: „Das hätte nie passieren dürfen.“Nachdem der Fehler aufgefalle­n sei, habe er sofort gehandelt und das Video aus dem Netz genommen, sagte Möller, der prüfen lassen will, warum der Beitrag überhaupt mit der fraglichen Passage online gegangen ist. Wichtig sei ihm, so Möller weiter, dass Josef Karis mit dem „Heil-meinführer“-ruf nichts zu tun habe. Kommentar

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SCREENSHOT: DÜSSELDORF­ER RUNDSCHAU/FACEBOOK Josef Karis: „Ansprache zum 1. Mai“.

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