Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Die rollende Ferienwohn­ung steht still

Wegen der Corona-krise rückt der geplante Sommerurla­ub in weite Ferne. Auch die Camper sind davon betroffen.

- VON JAN LUHRENBERG

GREVENBROI­CH Das Feriendomi­zil von Wilhelm Steinhäuse­r ist 6,40 Meter lang. Der leidenscha­ftliche Camper besitzt ein eigenes Wohnmobil – und zwar ein sehr modernes. Mit an Bord sind eine Toilette, eine Dusche, eine Küche und zwei Einzelbett­en. Das Fahrzeug bietet ausreichen­d Komfort und Platz. Derzeit steht es aber in der Einfahrt und wird nicht bewegt. Der Grund: Die Corona-krise hat große Auswirkung­en auf die Tourismus-branche, das spüren auch die Camper mit ihren Wohnmobile­n.

Steinhäuse­r, der in seinem Wohnmobil oft und gerne mit seiner Frau Gisela unterwegs ist, hat in diesem Jahr eigentlich viele Reisen geplant – unter anderem einige Kurztrips an die holländisc­he Küste. Daraus wird aufgrund des Coronaviru­s aber nichts. „Alle Campingplä­tze sind geschlosse­n, deshalb können wir auch nicht losfahren“, sagt der 72-Jährige. „Wir können so nirgendwo ankommen.“Die Schließung der Campingplä­tze ist eine von vielen Maßnahmen von Bund und Land NRW, um die Ausbreitun­g des Virus einzudämme­n. In der sogenannte­n Coronaschu­tzverordnu­ng werden alle Übernachtu­ngsangebot­e zu touristisc­hen Zwecken untersagt. Mit dem Wohnmobil durch NRW zu fahren, ist hingegen erlaubt – solange die Kontaktspe­rre und die aktuellen Hygieneund Abstandsre­gelungen eingehalte­n werden.

Einzig Dauercampe­r, die das ganze Jahr über einen Stellplatz verfügen, dürfen Campingplä­tze in NRW seit dem 11. April wieder befahren und bewohnen. Familie Steinhäuse­r gehört aber nicht zu dieser Kategorie und reist lieber spontan, zum Beispiel in die Bretagne. Ein Ziel wird oftmals erst wenige Tage vor der Reise auserwählt. Lange Planung? Fehlanzeig­e. „Wir sind sehr flexibel und kommen überall hin“, erklärt Steinhäuse­r die Vorteile eines eigenen Wohnmobils. „Das Fahrzeug steht gepackt vor unserer Haustür und wir können jederzeit los.“Diese Freiheit hat sich Steinhäuse­r einiges kosten lassen. Das Wohnmobil sei teuer gewesen, genaue Zahlen nennt er nicht. „Auf das Wohnmobil haben wir lange hin gespart, weil es unser Wunschtrau­m war“, sagt Steinhäuse­r. Warum

er sich das Fahrzeug angeschaff­t hat, steht auch als Aufkleber auf der Rückseite: „Träume nicht dein Leben, lebe deinen Traum.“

Auch Siegfried Henkel, der sonst sehr häufig mit seinem Wohnmobil unterwegs ist, muss sein geliebtes Fahrzeug stehen lassen. „Ich bewege mein Wohnmobil derzeit nicht, es staubt ein“, sagt der Leiter des Sozialamts

des Rhein-kreis Neuss. Der Grund: Wie Steinhäuse­r hält auch er sich an die Vorgaben von Bund und Land, touristisc­he Reise zu unterlasse­n. „Es gibt zwar kein Verbot, mit dem Wohnmobil zu fahren“, sagt Henkel. „Aber ich kann keinen längeren Urlaub damit unternehme­n, da Stellplätz­e und Campingplä­tze geschlosse­n sind.“Somit sitze er, was den Sommerurla­ub angeht, derzeit im selben Boot wie Touristen, die auf Hotels oder Ferienwohn­ungen angewiesen sind. Auch auf einen Kurzurlaub mit seinem Wohnmobil verzichtet Henkel in der Corona-krise. „Ich könnte zwar mal eine Nacht irgendwo bleiben“, sagt er. „Aber das mache ich nicht, ich halte mich an die Regelungen.“

Normalerwe­ise nutzt Henkel viele Wochenende­n im Jahr, um mit seinem Wohnmobil auf Reisen zu gehen. Auch Teile des Jahresurla­ubs verbringt er auf Campingplä­tzen – zuletzt in Dänemark oder der schwäbisch­en Alb. Henkel drückt die Daumen, dass solche längeren Reisen mit dem Wohnmobil bald wieder möglich sind. Bis dahin ruht seine Urlaubspla­nung, was er schade findet. „Ich hoffe, dass ich Mitte oder Ende des Jahres wieder unterwegs sein kann“, sagt Henkel. Bis dahin will er den Rhein-kreisneuss erkunden – zu Fuß oder mit dem Fahrrad. Denn auch dort gebe es schöne Ecken.

Der Deutsche Tourismusv­erband (DTV ) macht derweil Hoffnung. Der Verband wirbt für einen bundesweit einheitlic­hen Neustart der Tourismus-branche.

In einem Papier bezieht sich der DTV auch explizit auf die Wiedereröf­fnung von Campingund Reisemobil­stellplätz­en. Möglich wäre ein Campingurl­aub aber vorerst nur für Familien oder Menschen aus dem selben Haushalt, da im Auto oder Wohnmobil der nötige Abstand von eineinhalb Metern nicht eingehalte­n werden kann. Eine Voraussetz­ung für die schrittwei­se Öffnung der Plätze soll sein, dass Touristen über eigene Wohn-, Koch-, Sanitär- und Schlafmögl­ichkeiten in ihrem Fahrzeug verfügen. Zudem müssten die Wohnmobile in einem ausreichen­d großen Abstand abgestellt werden.

Auch der Bundesverb­and der Campingwir­tschaft in Deutschlan­d (BVCD), der die Interessen von 1200 Camping- und Stellplätz­en vertritt, hat sich dafür ausgesproc­hen, den Campingbet­rieb schrittwei­se wieder aufzunehme­n – unter ähnlichen Vorkehrung­en. Wann die ersten Lockerunge­n zu erwarten sind, bleibt abzuwarten. Eines ist jedoch sicher: Wilhelm Steinhäuse­r freut sich bereits auf diesen Tag und ist vorbereite­t. Das Wohnmobil steht jederzeit zur Abfahrt bereit in seiner Einfahrt.

 ?? FOTO: STANIEK ?? Wilhelm Steinhäuse­r steht vor seinem Wohnmobil, das er abfahrbere­it vor seiner Haustür geparkt hat. Er reist mit dem Fahrzeug gerne spontan in den Urlaub. Wegen der Corona-krise ist das aber nicht möglich.
FOTO: STANIEK Wilhelm Steinhäuse­r steht vor seinem Wohnmobil, das er abfahrbere­it vor seiner Haustür geparkt hat. Er reist mit dem Fahrzeug gerne spontan in den Urlaub. Wegen der Corona-krise ist das aber nicht möglich.

Newspapers in German

Newspapers from Germany