Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Widerstand gegen Auto-prämien
Die Branche fordert Hilfe in der Corona-krise und erhöht den Druck für staatliche Zuschüsse beim Fahrzeugkauf. Doch vor dem Autogipfel am Dienstag wächst die Kritik daran.
BERLIN/DÜSSELDORF Die Forderung der Autohersteller für Kaufprämien in der Corona-krise stößt zunehmend auf Gegenwind. Die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer lehnt Zuschüsse für Neuwagen ab. „Das ist purer Lobbyismus, genauso wie die Forderung, nun Abstriche bei Umweltauflagen zu machen“, sagte die Münchner Wirtschaftsprofessorin unserer Redaktion. „Durch Kaufanreize werden Käufe vorgezogen, die in den Folgejahren fehlen.“Auch aus der SPD kommt vermehrt Widerstand gegen solche Maßnahmen.
Der Verband der Deutschen Automobilindustrie (VDA) fordert eine Kaufprämie nicht nur für Elektround Hybridautos, sondern auch für Diesel- und Benzinfahrzeuge – und zwar rasch. Die Präsidentin des Verbandes, Hildegard Müller, sagte der „Welt am Sonntag“: „Es muss zeitnah politisch entschieden werden, damit es eine Klarheit im Markt gibt.“Ihr wäre dafür Mai oder Anfang Juni lieber als September oder Oktober. Müller verwies auf eine für die Industrie schädliche Zurückhaltung der Konsumenten. An diesem Dienstag will Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in einer Telefonschalte mit der Autoindustrie über die Auswirkungen der Corona-krise beraten. Die Kanzlerin hatte Prämien nicht ausgeschlossen. Beim sogenannten Autogipfel sollen aber noch keine Entscheidungen über Anreize zum Autokauf fallen, sagte Merkel Ende vergangener Woche. Auch die Länder Bayern, Baden-württemberg und Niedersachsen, wo große Hersteller wie BMW, Audi, Daimler und Volkswagen ihre Werke haben, wollen über mögliche Maßnahmen sprechen – der Termin ist noch offen.
Vw-chef Herbert Diess hatte in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“seine Forderung nach einer staatlichen Subventionierung des Kaufpreises bekräftigt. „Wir brauchen die Prämie unabhängig von der Antriebsart, für das gesamte Produktangebot“, sagte er. Bei den Elektroautos befinde sich VW ohnehin an der Kapazitätsgrenze, manche Modelle seien bereits ausverkauft. Auch moderne Verbrennungsmotoren könnten den Co2-ausstoß gegenüber der Bestandsflotte um 30 Prozent senken. Als Kaufanreiz für umweltfreundliche Fahrzeuge verlangte Diess eine radikale Umstellung der Kfz- und Mineralölsteuer auf den Ausstoß von klimaschädlichen Emissionen sowie eine generelle Erhöhung des Co2-preises.
SPD-VIZE Kevin Kühnert übte scharfe Kritik an dem Vorgehen des Konzernchefs, weil Diess sich zögerlich zu möglichen Kürzungen bei
Boni geäußert hatte. „Mit der Maßgabe ,keine Grundsatzdiskussion’ und dem Drängen auf mehr Tempo agiert Vw-chef Diess kurzsichtig und damit gegen eine langfristige Perspektive für seine Beschäftigten“, sagte Kühnert. Seine Ankündigung, Dividenden und Manager-boni nur als letztes Mittel antasten zu wollen, habe dem Vw-konzern massiv geschadet. „Gewinne auszuschütten und gleichzeitig nach dem Staat zu rufen, während Millionen Steuerzahler den Gürtel enger schnallen, vergiftet das gesellschaftliche Klima“, sagte der Spd-politiker.
Ökonomin Schnitzer sieht weitere Nachteile. Die Prämien würden benutzt, um ausländische Automobilmarken zu kaufen. Schnitzer: „So war es zumindest beim letzten Abwrackprogramm in der Finanzkrise.“Gerade die Autoindustrie habe lange „wichtige Trends wie die E-mobilität und die Wasserstofftechnologie verschlafen“. Da könne die Corona-pandemie keine Ausrede sein, um das alte Geschäftsmodell auf viele weitere Jahre zu zementieren. Wirtschaft