Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
„Corona besiegen wir nur weltweit“
Der Bundesentwicklungsminister über einen künftigen Impfstoff gegen das Virus, eine mögliche neue Flüchtlingswelle und die Klimakrise.
die Einführung einer Digitalsteuer. Konzerne wie Amazon, Google oder Facebook verdienen Milliarden an der Krise. Deshalb sollte man den französischen Vorschlag aufgreifen und diese beiden Komponenten zur Finanzierung des Eu-haushaltes heranziehen. Diese Steuern kosten 99,9 Prozent der Bevölkerung keinen Cent.
Die Eu-kommission hat für diesen Montag zu einer internationalen Geber-videokonferenz eingeladen, um die Suche nach einem Impfstoff zu beschleunigen. Was ist Ihre Erwartung? MÜLLER Corona ist ein Weckruf für eine bessere internationale Zusammenarbeit. Wir müssen alle Kräfte bündeln, um schnell einen Impfstoff zu entwickeln. Das heißt: Stärkung
der WHO, Aufbau von Forschungsverbünden. Deutschland geht hier als Co-gastgeber und drittgrößter Geber im Gesundheitsbereich voran. Und egal wer den Impfstoff zuerst hat: es muss sichergestellt sein, dass er überall auf der Welt und zu einem erschwinglichen Preis verfügbar ist. Denn Corona besiegen wir nur weltweit, sonst kommt es in Wellen zurück. Für die Zeit davor, wenn ein Impfstoff vorhanden ist, bereiten wir daher mit der globalen Impfallianz Gavi eine weltweite Impfkampagne vor. Dazu haben wir in unserem „Corona-sofortprogramm“zusätzliche Mittel vorgesehen.
Bei der Corona-pandemie haben wir erlebt, wie schnell und dramatisch die Welt umsteuern kann. Was lernen Sie daraus für den Umgang mit der Klimakrise? MÜLLER Wir sollten nicht so pessimistisch sein. Seit 1990 hat sich in Deutschland die Wirtschaftsleistung verdoppelt und der Ausstoß an Klimagasen
ist um 40 Prozent gesunken. Das ist doch ein beachtlicher Erfolg.
Die letzten Prozente dazu in diesem Jahr kommen durch die Corona-krise… MÜLLER Der Rückgang der Emissionen wird weitergehen. Aber eine Konsequenz der Krise ist schon jetzt: Wir können nicht zur Normalität der Globalisierung zurückkehren. Wir dürfen die Produktion nicht mehr dorthin verlagern, wo die ökologischen und sozialen Standards am niedrigsten sind. Reichtum durch Ausbeutung von Mensch und Natur war das Grundprinzip beim Aufbau globaler Lieferketten in den letzten 50 Jahren. Hier brauchen wir ein radikales Umdenken. Soziale, menschenrechtliche und ökologische
Libyen ist auch ein solch zerfallener Staat. Nach der Berliner Konferenz im Januar gab es vorsichtige Hoffnung auf einen Friedensprozess – der General Haftar kehrt davon ab. Alles verloren? MÜLLER Die Berliner Konferenz war wichtig, leider sind die Zustände in Libyen weiter katastrophal. Es ist nicht gelungen, die Lager auf den Standard der Un-flüchtlingsorganisation zu bringen. Die Menschen brauchen eine Alternative zum Tod im Lager, in der Wüste, oder im Meer. Deshalb muss ein erneuter Vorstoß unternommen werden, einen funktionierenden Waffenstillstand zu erreichen und die Zustände in den Lagern zu verbessern.