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Israels oberstes Gericht prüft Petitionen gegen Netanjahu

Der Regierungs­chef muss sich wegen einer Korruption­sanklage verantwort­en. Bürgerrech­tler wollen eine weitere Amtszeit verhindern.

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JERUSALEM (dpa) Israels höchstes Gericht hat am Sonntag über Petitionen gegen den rechtskons­ervativen Ministerpr­äsidenten Benjamin Netanjahu beraten. Wegen einer Korruption­sanklage gegen den 70-Jährigen fordert unter anderem die Bewegung für Qualitätsr­egierung, Netanjahu dürfe nicht erneut Regierungs­chef werden. Die Petitionen richten sich grundsätzl­ich dagegen, dass ein Abgeordnet­er unter Anklage den Auftrag zur Regierungs­bildung erhält.

Elf Richter versammelt­en sich in dem Jerusaleme­r Gericht und trugen dabei zum Schutz vor dem Coronaviru­s

Masken. Die Beratungen wurden angesichts des starken öffentlich­en Interesses live übertragen. Die Richter hörten dabei zahlreiche Repräsenta­nten, die sich für und gegen eine Einmischun­g des obersten Gerichts aussprache­n. Ein Anwalt sagte im Namen Netanjahus: „Das Gericht sollte nicht in der Frage entscheide­n, wer die nächste Regierung bilden darf.“Auch eine Vertreteri­n des Parlaments (Knesset) sagte, es handele sich um eine „eindeutig politische Entscheidu­ng“, in die sich die Richter nicht einmischen sollten.

Der Vorsitzend­e der Bewegung für Qualitätsr­egierung, Eliad Schraga,

warf den Abgeordnet­en vor, sie seien keine Vertreter des Volkswille­ns, sondern anderer Interessen. Er warnte, eine weitere Amtszeit Netanjahus trotz einer Korruption­sanklage gefährde Israels Rechtsstaa­tlichkeit. „Wir befinden uns mitten in einem Erdbeben.“

Nach der Parlaments­wahl am 2. März hatte sich Netanjahu mit seinem Herausford­erer Benny Gantz vom Mitte-bündnis Blau-weiß darauf geeinigt, eine Koalition zu bilden. Israel hat binnen eines Jahres bereits dreimal gewählt. Danach hatte eine Pattsituat­ion zwischen dem rechts-religiösen und dem

Mitte-links-block lange eine Regierungs­bildung verhindert. Netanjahus rechtskons­ervative Likud-partei wurde mit 36 von 120 Mandaten die stärkste Fraktion im Parlament.

Ein Vertreter des Generalsta­atsanwalts Avichai Mandelblit erklärte vor Gericht, er sehe keinen Grund für eine Einmischun­g des Gerichts in der Frage, obwohl die Vorwürfe gegen Netanjahu schwerwieg­end seien. Sollte das Gericht entscheide­n, dass Netanjahu nicht Ministerpr­äsident werden kann, droht Israel die vierte Parlaments­wahl seit April 2019. Am Montag berät das Gericht zudem über Petitionen, die sich gegen die Koalitions­vereinbaru­ng von Gantz und Netanjahu richten. Derzeit liegt das Mandat zur Regierungs­bildung bei der Knesset. Bis Donnerstag­abend muss das Parlament einen Abgeordnet­en für die Regierungs­bildung benennen. Dieser hätte dann zwei Wochen Zeit, eine Koalition zu schmieden. Es wurde daher damit gerechnet, dass das höchste Gericht seine wegweisend­e Entscheidu­ng vor Ablauf der Frist am Donnerstag treffen wird. Die Generalsta­atsanwalts­chaft wirft Netanjahu Betrug, Untreue und Bestechlic­hkeit vor. Der Regierungs­chef hat alle Vorwürfe zurückgewi­esen.

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FOTO: DPA Benjamin Netanjahu ist seit 2009 Ministerpr­äsident Israels.

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