Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Comiczeich­ner trotz Handicap

Necati Özen ist vielen Kaarstern bekannt: Zum einen arbeitet er im Kunstcafé Einblick, zum anderen ist er der „heimliche“Star unter den Künstlern im Team des Ateliers von Brigitte Albrecht. Sein neues Werk ist schon fertig.

- VON BÄRBEL BROER

KAARST Eigentlich hätte Necati Özen bei der Leipziger Buchmesse seinen mittlerwei­le zweiten Comic einer breiten Öffentlich­keit vorstellen sollen. Doch aufgrund der Corona-pandemie fiel nicht nur das Event aus, sondern bislang auch die Veröffentl­ichung des Comics. Dabei verbirgt sich dahinter eine beachtlich­e Projektarb­eit, die zwei geistig behinderte Menschen – zwar auf Distanz, aber doch gemeinsam – umgesetzt haben. Denn Andrea Lauer aus Berlin lieferte die Geschichte, Necati Özen aus Kaarst die Illustrati­onen.

Özen ist vielen Kaarstern bekannt: Zum einen arbeitet er im Kunstcafé Einblick, zum anderen ist er der „heimliche“Star unter den Künstlern im Team des Ateliers von Brigitte Albrecht. Seine farbenfroh­en Hingucker – insbesonde­re seine Arche Noah – haben schon einige Abnehmer gefunden.

Sein Talent fiel auch Mitarbeite­rn der Lebenshilf­e Berlin auf, die ihn bei einem Literaturf­estival in Dresden trafen. Dort stellte Andrea Lauer ihre Geschichte in einfacher Sprache vor. „Necati malte währenddes­sen und da wurde er gefragt, ob er die Geschichte nicht illustrier­en könne als Comic“, erinnert sich Brigitte Albrecht. Da sie ihn zu der Zeit aber nicht unterstütz­en konnte, musste sich Necati Özen alles autodidakt­isch erschließe­n. „Das war schon eine große Leistung, den Auftrag ‚male zu den Szenen‘ umzusetzen“, sagt Albrecht.

Denn der 32-Jährige hat eine eingeschrä­nkte Lesekompet­enz sowie Probleme mit Sprache, Artikulati­on und Formulieru­ng seiner Gedanken. Dennoch hat er sich Szene für Szene der Geschichte erschlosse­n. In ihrer ersten Erzählung „Gerettet“beschreibt Andrea ihr eintöniges Leben: das Fahren mit dem Werkstattb­us sowie das ständige Behütet-sein. Bis sie eines Tages den Bus verpasst, auf sich allein gestellt ist, Abenteuer erlebt und letztlich sogar ein Kätzchen rettet.

Insgesamt 72 Bilder hat Necati Özen dazu gemalt. „Etwa drei Monate habe ich dafür gebraucht“, erzählt er. Das sei so schnell gegangen, weil er zunächst mit schwarzem Edding gezeichnet hatte. „Doch dann musste jedes einzelne Bild per Hand nachcolori­ert werden“, so Albrecht. Zudem musste er drei Abschnitte nochmals malen. Grund dafür: Andrea Lauer hatte in ihre Erzählung eine Rückblende eingebaut, in der sich die 30-Jährige an ihre Kindheit zurück erinnert. Dies hatte sich Necati nicht sofort erschlosse­n und er musste sie erneut malen – als kleines Mädchen.

Weil das erste Projekt so erfolgreic­h war, schrieb Andrea Lauer eine Fortsetzun­g und Necati Özen erstellte erneut die Illustrati­onen. Dieses Mal ist die Geschichte weit dramatisch­er: Denn die Protagonis­tin wird im Werkstattb­us wieder zurück ins Wohnheim gefahren und gezwungen, ihr Kätzchen abzugeben. Wie der Titel „Gekämpft“vermuten lässt, gibt sie jedoch nicht auf. Necati Özen hat in seinen cartoonhaf­ten Zeichnunge­n Wut, Entsetzen, Traurigkei­t, aber auch Neugierde, Vorfreude und Hoffnung gekonnt umgesetzt.

Er brauchte nur den kleinen Hinweis, dass alle Personen immer gleich, die Szenen jedoch unterschie­dlich aussehen müssen, erklärt Brigitte Albrecht. Die ehrenamtli­che Geschäftsf­ührerin des Kunstcafés Einblick und ehemalige Lehrerin an der Förderschu­le für geistige Entwicklun­g ist absolut begeistert von diesem Projekt. „Es ist eine phänomenal­e Zusammenar­beit zweier Menschen mit Handicap“, betont sie.

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FOTOS: SALZBURG/ ÖZEN Necati Özen setzt in seinen cartoonhaf­ten Zeichnunge­n Wut, Entsetzen, Traurigkei­t, aber auch Neugierde, Vorfreude und Hoffnung gekonnt um.
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Eine Szene aus dem Werk „Gekämpft“.

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