Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Achim Spyra holt die Welt an den Rhein

Der Chef des Kit-cafés bucht die spannendst­en Künstler des Global Pop für sein Haus. Nun hofft er auf einen Herbst voller Musik.

- VON SEMA KOUSCHKERI­AN

Achim Spyras feines Gespür für Global Sound hat damit zu tun, dass er in seinem Leben so selten verreist ist. Sein Geld reichte nicht, um die Welt zu entdecken, also lauschte er sich in die Kontinente hinein und folgte dem Rhythmus der Völker, indem er ihre Musik hörte. Er saß zu Hause mit seiner Abenteuerl­ust, bereit, ihr nachzugebe­n, bis ihm die Ohren sausten. Im Verlauf der Jahre profession­alisierte er seine Leidenscha­ft und bescherte Düsseldorf einen Hotspot für Live-musik. Manche sagen über Spyra, er sei der Wirt des KIT Café am Rheinufer, was aber nur zur Hälfte stimmt, denn er ist auch ein Gestalter, der es versteht, diesen besonderen Ort mit Musik von Bands zu füllen, die ordentlich Wumms haben können, was niemanden stört, weil das KIT keine direkten Nachbarn hat.

Abends um 18 Uhr verwandelt sich das Museumscaf­é über dem Kunsttunne­l in einen Klangraum. Im Moment ruht der Konzertbet­rieb wegen der Auflagen zum Coronaviru­s, aber der Spätsommer und der Herbst kommen ja noch. Dann ist es besonders schön, denn man kann von der Café-terrasse der Sonne zuschauen, wie sie untergeht und ein paar Dezibel des Großstadts­challs mit sich nimmt. „Es ist ein besonderer Ort“, sagt Achim Spyra. „Die

Kniebrücke erinnert mich an Istanbul, und der Rhein ist an dieser Stelle offener als ein Fluss, weil er in unterschie­dliche Richtungen fließt.“Hier sei Düsseldorf weltläufig.

Der Strom und die Musik, Achim Spyra verknüft beides seit 2017 in der Reihe „Rhein features…“, für die er mit dem Bundeskult­urpreis „Applaus 2018“ausgezeich­net wurde. Die Würdigung gilt Spielstätt­en mit einem besonderen Live-musikprogr­amm. Zu erleben waren 2017 unter anderem „MAJOR bug“aus Paris, ein elektro-akustische­s Duo, das sich auf afroamerik­anische Musik stützt und manchmal etwas John Cage untermisch­t (Rhein features Seine). Im vergangene­n Jahr gab es etwa slawischen Avantgarde-punkt von Iva Nova aus St. Petersburg (Rhein features Newa) und psychodeli­schen Jazz der legendären Idris Ackamoor & The Pyramids aus San Francisco (Rhein features Golden Gate). „Wenn die Musiker ankommen, sind sie von den knappen räumlichen Möglichkei­ten immer erst einmal irritiert“, sagt Spyra. Allerdings hat er mit Romano Granderath vom Künstlerve­rein WP8 einen Technik-künstler an seiner Seite, der aus so gut wie nichts alles macht. „Wenn Romano sein Werk vollbracht hat und die Künstler ihren ersten Soundcheck machen, wissen sie, dass sie es mit Profis zu tun haben.“

Bis zu 150 Gäste können die Konzerte besuchen, für mehr reicht der Platz nicht. Wenn sie in die Hände klatschen, spüren die Musiker den Wind ihres Applaus‘, so nah kommen sich Künstler und Publikum. „Da funkt es wirklich“, sagt Spyra. Er weiß, wie man einen Raum bestmöglic­h nutzt, auch wenn er sich manchmal wünscht, seine Location sei größer. Spyra hat 25 Jahre als Bildhauer gearbeitet, zunächst mit Bert Gerresheim, dann alleine. Das Managen von Dimensione­n jagt ihm keine Angst ein.

Am Lessing-gymnasium lernt er als Schüler Bert Gerresheim kennen, der dort Kunst unterricht­et. Nach dem Abitur studiert er Kunstgesch­ichte, Philosophi­e und Archäologi­e in Köln und arbeitet währenddes­sen als Gerresheim­s Assistent. Nach Abschluss seines Studiums ist er als freier Bildhauer tätig, für ein paar Jahre leitet er die Werkstatt der Kunstgieße­rerei Schmäke. Neben seiner Arbeit als bildender Künstler engagiert sich Achim Spyra in der Musik. Er realisiert Festivals wie das „Globalklan­g“im Ehrenhof sowie das Programm der Jüdischen Kulturtage. Seit 2018 ist er Mitglied im Rat der Künste. Den Lebensunte­rhalt für sich, seine Frau und die Tochter verdient er als Betreiber des KIT-CAFÉ. Von der Bildhauere­i zu Gastronomi­e und Konzertexp­ertise, wie geht das? „Es hat sich so ergeben“, lautet Spyras einfache Anwort.

In der Szene erlesener Global-sound-künstler aus der ganzen Welt hat sich herumgespr­ochen, dass sich ein Abstecher nach Düsseldorf am Rhein lohnt. „Wenn die

Sein Café sei ein besonderer Ort. Die Kniebrücke erinnert ihn an Istanbul

Die Künstler kommen dem Publikum so nah, dass sie das Klatschen als Wind spüren können

Musiker auf Europatour sind, richten sie es ein, einen Abend bei uns zu spielen“, sagt Spyra. „Ich frag‘ da nicht mehr nach, die Agenturen der Bands kommen von sich aus auf uns zu.“

Aktuelle Termine sind wegen des Coronaviru­s abgesagt oder verschoben. Wie etwa der Auftritt der jungen Rapperin Drik Barbosa aus Sao Paolo, die politisch manchmal scharfe Töne anschlägt. Im KIT-CAFÉ wollte sie ihr neues Album vorstellen, es wäre ihr erster Besuch in Europa gewesen. „Mal sehen, was wird“, sagt Achim Spyra.

Er hofft auf den Herbst.

 ?? FOTO: ANDREAS BRETZ ?? Achim Spyra vor dem KIT-CAFÉ am Rheinufer.
FOTO: ANDREAS BRETZ Achim Spyra vor dem KIT-CAFÉ am Rheinufer.

Newspapers in German

Newspapers from Germany