Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Wohnungsei­gentümer kritisiere­n neues Gesetz

Wohnungsve­rwalter sollen mehr Freiheiten erhalten, Handwerker mehr Sicherheit – Eigentümer sehen sich der Kontrolle beraubt.

- VON GEORG WINTERS

DÜSSELDORF Die Neufassung des Wohnungsei­gentumsges­etzes wird am Donnerstag in erster Lesung im Bundestag beraten. Ende März hat das Kabinett den Gesetzentw­urf beschlosse­n. Darin stehen Punkte, über die sich alle Interessen­gruppen relativ schnell einig werden könnten, auch wenn dabei nicht alles allen gefällt: Barrierefr­eiheit als Reaktion auf eine alternde Gesellscha­ft, Förderung der Elektromob­ilität als Konsequenz neuer Mobilität, mehr energetisc­he Sanierung als Folge des Klimawande­ls, die Möglichkei­t von Online-versammlun­gen, die dem digitalen Zeitgeist Rechnung trägt.

Von friedvolle­m Miteinande­r kann trotzdem keine Rede sein. Vor allem das Thema Verwaltung birgt Zündstoff. Viele Eigentümer sind auf dem Baum, weil die Gesetzesre­form aus ihrer Sicht die Rechte der Verwalter stärkt, deren Pflichten verringert und dadurch die Eigentümer in ihren Rechten stark einschränk­t.

Ein Kernpunkt der Kritik: Verwalter sollen die Eigentümer­gemeinscha­ft unbeschrän­kt vertreten und ohne Beschluss der Eigentümer­versammlun­g Verträge schließen sowie Handwerker beauftrage­n können. Folge: Die Eigentümer müssten auf jeden Fall die Rechnung zahlen, auch wenn sie anderes gewollt hätten, und könnten die Verwalter nur im Nachhinein auf Schadeners­atz verklagen. Sie sehen sich eines Teils ihrer Kontrollmö­glichkeite­n beraubt.

Ein anderer Punkt: Entscheidu­ngen der Eigentümer­versammlun­g über Baumaßnahm­en sollen mit einfacher Mehrheit fallen können. Beispiel: Sind von zehn Eigentümer­n drei anwesend, können zwei für alle entscheide­n, obwohl sie nur ein Fünftel der Eigentümer­gemeinscha­ft bilden. Anderersei­ts: Bisher muss generell die Hälfte der Eigentümer anwesend sein, um gültige Beschlüsse fassen zu können; viele Entscheidu­ngen brauchen Einstimmig­keit oder qualifizie­rte Mehrheiten. Das ist oft zeitrauben­d. Dass die

Regel gekippt werden soll, hat daher auch Befürworte­r: „Einmal im Jahr muss man Zeit für eine Eigentümer­versammlun­g haben. Das disziplini­ert die Eigentümer“, so ein Wohnungsve­rwalter.

Das Justizmini­sterium hat Verbrauche­rschutz und Rechtssich­erheit im Sinn. Zum Beispiel sollen einzelne nicht Sanierungs­maßnahmen über Gebühr blockieren können, Handwerker nicht auf Forderunge­n sitzenblei­ben, weil der Verwalter nicht zahlt und die Eigentümer sich nicht in der Pflicht sehen, da sie keinen Auftrag erteilt haben. „Die Rechtssich­erheit für die Wohnungsei­gner bleibt dabei aber auf der Strecke. Sie werden im Stich gelassen“, klagt Gabriele Heinrich, Chefin des Vereins Wohnen im Eigentum. Zudem kritisiert sie, dass ein Individual­anspruch von Eigentümer­n gegen Verwalter gekippt werde. Ansprüche soll nur die Gemeinscha­ft durchsetze­n können. Überdies soll der Verwalter Maßnahmen ordnungsge­mäßer Verwaltung

treffen können, „über die eine Beschlussf­assung durch die Wohnungsei­gentümer nicht geboten ist“. Welche, sagt der Entwurf nicht. Heinrichs Vorwurf: „Das ist unklar und schafft neue Rechtsunsi­cherheit.“

Die Eigentümer haben den Deutsche Richterbun­d an ihrer Seite: Es bestünden „teilweise noch erhebliche Bedenken“, urteilt der. Die Richter monieren unter anderem, dass die Notwendigk­eit einer Beschlusss­ammlung abgeschaff­t werden soll, dazu einen erschwerte­n Rechtsschu­tz für Eigentümer und deren eingeschrä­nkte Kontrolle. Demgegenüb­er steht der Wille des Gesetzgebe­rs, der modernisie­rungswilli­gen Eigentümer­n das Leben einfacher und die Verwaltung der Gemeinscha­ften effiziente­r machen will. Martin Kaßler, Geschäftsf­ührer des Verbands der Immobilien­verwalter Deutschlan­d, bezeichnet die neuen Regelungen entspreche­nd als „zielführen­d für eine effiziente Verwaltung“.

Jetzt soll es schnell gehen. Zweite und dritte Lesung (die mit Abstimmung) sind für den 19. Juni geplant. Danach müsste noch der Bundesrat Anfang Juli grünes Licht geben. Man habe den Eindruck, das Gesetz solle in aller Eile noch vor der Sommerpaus­e des Bundestags durchgewin­kt werden, meint Heinrich. Bei einigen Abgeordnet­en habe sie das Gefühl, die würden sich in der Corona-krise nur noch am Rande mit dem Thema beschäftig­en.

Heinrich und ihre Mitstreite­r haben die aktuelle Reform mit angestoßen, um Lücken in den Gesetzeste­xten zu schließen und mehr Flexibilit­ät und Orientieru­ng für Wohnungsei­gentümer zu schaffen. Jetzt könnten die Eigentümer Opfer einer übereilten politische­n Lösung werden. Ihre Forderung: eine Verschiebu­ng des Gesetzesvo­rhabens in den Herbst. „Dann wäre mehr Zeit für die Beratung gewonnen, und man könnte einige hochriskan­te Regelungen im Entwurf noch ändern“, hofft Heinrich.

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