Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Wenn das Handy zur Droge wird
St.-augustinus-gruppe macht auf sogenannte Nomophobie aufmerksam.
NEUSS Beim Thema Phobien kommt den meisten wohl zunächst die weit verbreitete Angst vor Spinnen in den Sinn (Arachnophobie), vielleicht auch noch die Furcht vor Clowns, die als Coulrophobie bezeichnet wird. Doch es gibt auch weit verbreitete Angststörungen, über deren Existenz nur wenige wissen: eine davon ist die sogenannte Nomophobie. Das Wort setzt sich zusammen aus „No Mobil Phone Phobia“und beschreibt die Angst, ohne Smartphone zu sein. Bei dieser Erkrankung nimmt die Angst massiv zu, ohne das Handy vom Informationsaustausch oder den Kontakt zu Familien und Freunden abgeschnitten zu sein, zum Beispiel, weil die Akkuleistung
des Mobiltelefons nachlässt oder das Guthaben aufgebraucht ist. Dabei zeigen Betroffene typische Angstsymptome wie Zittern, Schweißausbrüche, Beklemmungen bis hin zu Angstzuständen und Depressionen – also vergleichbar mit einem „klassischen“Drogenentzug.
Wie Claudia Neumann, Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Leiterin der Kinder- und Jugendpsychiatrischen Ambulanz des Alexius/josef-krankenhauses in Neuss, mitteilt, sind von dieser Problematik vor allem 18- bis 25-Jährige betroffen – und meistens Frauen. „Wir stellen bei den Befragungen unserer Patienten fest, dass die tägliche Dauer der Handynutzung zunimmt“, sagt die Expertin. Zudem würden die Betroffenen, die unter der Angst leiden, nicht erreichbar zu sein, immer jünger.
Claudia Neumanns Befürchtung: Durch die aktuelle Coronakrise könne sich die „Nomophobie“noch weiter verbreiten. Schließlich nehme das Smartphone in Zeiten von Kontaktsperren und sozialer Distanz eine noch wichtigere Rolle ein, um mit Freunden, Familienmitgliedern und Co. in Kontakt zu bleiben.
Auch die Zahlen spiegel wider, dass die Phobie eher zu- als abnehmen wird: Besaßen 2015 noch 46 Millionen Menschen in Deutschland ein Smartphone, waren es 2019 laut dem Statistik-portal Statista rund 58 Millionen Bundesbürger. Tendenz steigend.
Erstmals beobachtet wurde das Phänomen im Jahr 2008 vom britischen Forschungsinstitut Onepoll, das im Auftrag des Sicherheitsdienstleisters Securenvoy 1000 Smartphone-besitzer nach ihren Nutzungsgewohnheiten und Ängsten befragte. Einer aktuelleren Studie der DAK und des Deutschen Zentrums für Suchtfragen am Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf aus dem Jahr 2018 zufolge, ist vor allem die exzessive Nutzung von Social-media-plattformen bei Zwölf- bis 17-Jährigen so verbreitet, dass 2,6 Prozent der Befragten als handysüchtig eingestuft werden.