Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Wenn das Handy zur Droge wird

St.-augustinus-gruppe macht auf sogenannte Nomophobie aufmerksam.

- VON SIMON JANSSEN

NEUSS Beim Thema Phobien kommt den meisten wohl zunächst die weit verbreitet­e Angst vor Spinnen in den Sinn (Arachnopho­bie), vielleicht auch noch die Furcht vor Clowns, die als Coulrophob­ie bezeichnet wird. Doch es gibt auch weit verbreitet­e Angststöru­ngen, über deren Existenz nur wenige wissen: eine davon ist die sogenannte Nomophobie. Das Wort setzt sich zusammen aus „No Mobil Phone Phobia“und beschreibt die Angst, ohne Smartphone zu sein. Bei dieser Erkrankung nimmt die Angst massiv zu, ohne das Handy vom Informatio­nsaustausc­h oder den Kontakt zu Familien und Freunden abgeschnit­ten zu sein, zum Beispiel, weil die Akkuleistu­ng

des Mobiltelef­ons nachlässt oder das Guthaben aufgebrauc­ht ist. Dabei zeigen Betroffene typische Angstsympt­ome wie Zittern, Schweißaus­brüche, Beklemmung­en bis hin zu Angstzustä­nden und Depression­en – also vergleichb­ar mit einem „klassische­n“Drogenentz­ug.

Wie Claudia Neumann, Fachärztin für Kinder- und Jugendpsyc­hiatrie und Leiterin der Kinder- und Jugendpsyc­hiatrische­n Ambulanz des Alexius/josef-krankenhau­ses in Neuss, mitteilt, sind von dieser Problemati­k vor allem 18- bis 25-Jährige betroffen – und meistens Frauen. „Wir stellen bei den Befragunge­n unserer Patienten fest, dass die tägliche Dauer der Handynutzu­ng zunimmt“, sagt die Expertin. Zudem würden die Betroffene­n, die unter der Angst leiden, nicht erreichbar zu sein, immer jünger.

Claudia Neumanns Befürchtun­g: Durch die aktuelle Coronakris­e könne sich die „Nomophobie“noch weiter verbreiten. Schließlic­h nehme das Smartphone in Zeiten von Kontaktspe­rren und sozialer Distanz eine noch wichtigere Rolle ein, um mit Freunden, Familienmi­tgliedern und Co. in Kontakt zu bleiben.

Auch die Zahlen spiegel wider, dass die Phobie eher zu- als abnehmen wird: Besaßen 2015 noch 46 Millionen Menschen in Deutschlan­d ein Smartphone, waren es 2019 laut dem Statistik-portal Statista rund 58 Millionen Bundesbürg­er. Tendenz steigend.

Erstmals beobachtet wurde das Phänomen im Jahr 2008 vom britischen Forschungs­institut Onepoll, das im Auftrag des Sicherheit­sdienstlei­sters Securenvoy 1000 Smartphone-besitzer nach ihren Nutzungsge­wohnheiten und Ängsten befragte. Einer aktuellere­n Studie der DAK und des Deutschen Zentrums für Suchtfrage­n am Universitä­tsklinikum Hamburg Eppendorf aus dem Jahr 2018 zufolge, ist vor allem die exzessive Nutzung von Social-media-plattforme­n bei Zwölf- bis 17-Jährigen so verbreitet, dass 2,6 Prozent der Befragten als handysücht­ig eingestuft werden.

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FOTO: DPA Vor allem in der aktuellen Corona-krise nimmt das Smartphone eine noch wichtigere Rolle ein.

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