Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Das Geheimnis der Taube in Pink

Ein Vogel mit signalfarb­enen Flügeln vor stahlblaue­m Himmel – dahinter steht offenbar ein Kniff von Taubenzüch­tern.

- VON DIRK NEUBAUER

GREVENBROI­CH Blaue Stunde über Orken, ein Sonnentag neigt sich seinem Ende zu. Plötzlich entdeckt Tanja Faulhaber an der Ecke Goethestra­ße/königstraß­e etwas Merkwürdig­es: Eine Taube mit pinken Flügeln flattert zwischen den Häusern umher. Auch der zweite und dritte Blick bestätigt: Da ist ein schrillbun­ter Vogel unterwegs.

Tanja Faulhaber ist begeistert­e Hobbyfotog­rafin, aber in diesem Moment hat sie nur ihr Handy zur Hand. Immerhin ist die pinke Taube von Orken so dokumentie­rt. Und damit beginnt ein Rätselrate­n darüber, was wohl hinter der Färbung steckt. Handelt es sich um einen Lausbubens­treich? Waren Tierquäler am Werk? Weder noch, weiß der Grevenbroi­cher Taubenzüch­ter Heinrich Bayer: „Einige meiner Kollegen hoffen, dass die Signalfarb­e auf den Flügeln die Tauben gegen Greifvögel schützt“, erklärt er.

Dieser Trick ist offenbar über alle Grenzen hinweg verbreitet. Wer die Suchmaschi­nen im Internet bemüht, stößt sogar auf ein „Merkblatt zum Einfärben der Flugtauben“, herausgege­ben in der Schweiz. Dieses startet mit einer Erörterung darüber, ob das Einfärben von Tauben gegen die Würde des Tieres – und damit gegen das Tierschutz­gesetz verstößt. Fazit in diesem Punkt: Da die Tauben vor Greifvogel-attacken geschützt werden sollen, sei dies nicht der Fall.

Die Schweizer empfehlen, ein Markierung­sspray für Rinder und Schweine zu verwenden, um Taubenflüg­el einzufärbe­n. Vor allem Signalfarb­en wie Rot – oder in Orken Pink – hätten sich bewährt. Dadurch passen die Tauben nicht mehr ins Beuteschem­a der Angreifer. „Ich kenne Züchter in Jüchen und Neuss, die das machen. Ich selber halte davon nichts – die Tiere sehen hinterher unnatürlic­h aus. Das gefällt mir nicht“, sagt Heinrich Bayer.

Zwischen Grevenbroi­cher Taubenzüch­tern und Naturschüt­zern ist es in der Vergangenh­eit wiederholt zu Meinungsve­rschiedenh­eiten gekommen. Die sahen ihre Brieftaube­n in Gefahr, weil in der Region mittlerwei­le zu viele Greifvögel

unterwegs seien. Naturschüt­zer wie Norbert Wolf, ehemals Umweltbeau­ftragter der Stadt, haben diesen Vorwurf immer zurückgewi­esen. Falls Brieftaube­n von einem Wettflug nicht zurückkehr­ten, könne dies zahlreiche Ursachen haben, nicht bloß Angriffe durch Greifer.

Taubenfreu­nde beklagten hingegen, dass Greifvögel­n von Menschenha­nd geschaffen­e Nistmöglic­hkeiten angeboten werden – etwa am Kühlturm des Kraftwerks in Frimmersdo­rf oder auf Braunkohle­baggern. Fest stehe, dass sich die Greifvögel in den zurücklieg­enden Jahren stark vermehrt haben und dass dadurch eine Überpopula­tion entstanden sei, sagt Heinrich Bayer: „Mir kommen pro Jahr bis zu 40 Tauben abhanden.“Da müsse man sich natürlich etwas zum Schutz seiner Tiere überlegen.

Zum Beispiel die Sache mit den bunten Flügeln. Eingefärbt würden dabei nur die Flügelunte­rseiten. „Wanderfalk­en greifen die Tauben von unten her an“, erläutert Heinrich Bayer. Die Flugfähigk­eit der Tiere werde dadurch nicht beeinträch­tigt, sofern man die Farbe nicht zu dick auftrage – heißt es in dem Merkblatt aus der Schweiz. Damit der Signalton rasch trockne, sollten die Tauben nach dem Feder-färben einfach eine Runde fliegen. Solange die Taube anschließe­nd in ihrem Schlag hockt, sei von der Sonder-farbe nichts zu sehen. Erst wenn sie in die Lüfte aufsteigt, hebt sich das Tier auffällig vom Himmel ab. Unerforsch­t scheint zu sein, ob sich Greifvögel an die bunten Beutevögel

gewöhnen – und der Schutz der Farbe mit der Zeit nachlässt.

Heinrich Bayer schwört auf eine andere Methode, um seinen gefiederte­n Rennpferde­n der Lüfte zumindest den Start zu erleichter­n. „Ich spiele unmittelba­r vorher drei bis vier Minuten lang eine CD mit Uhu-rufen ab“, sagt der Grevenbroi­cher. Dies vertreibe Greifvögel seiner Erfahrung nach zuverlässi­g.

Heinrich Bayer hat im Alter von sieben Jahren angefangen, sich mit Brieftaube­n zu beschäftig­en. „Mein Opa hat mich zu diesem Hobby gebracht. Heute ist der Mann 69 Jahre, längst im Ruhestand. Doch die Faszinatio­n der Taube hat ihn bisher nicht losgelasse­n. Bei den Tauben im Schlag zu sitzen, bringe ihn zur Ruhe; die Wettflüge am Wochenende sorgten für Hochspannu­ng. „Wir sind allerdings Vertreter eines aussterben­den Hobbys; ich sage immer: der Club der alten Männer.“

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FOTO (1): G. SALZBURG Brieftaube­nzüchter Heinrich Bayer an seinem Schlag in Wevelingho­ven: „Manche Züchterkol­legen hoffen, dass die Signalfarb­e schützt.“
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PRIVAT Per Handy dokumentie­rt: Eine Taube mit pinken Flügeln über Orken.f.:

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