Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Ärzte besorgt wegen leerer Wartezimmer
In der Corona-krise suchen weniger Menschen als sonst den Hausarzt auf – obwohl sie möglicherweise deutliche Beschwerden haben. Das Praxisnetz der Ärzte in Dormagen sagt, die Furcht vor einer Ansteckung sei unbegründet.
DORMAGEN Die Dormagener Ärzte schlagen Alarm: Zu wenige Patienten kommen in die Praxen, auch in die Notfallpraxis. Offenbar aus Furcht vor dem Coronavirus. Die sei jedoch unbegründet, sagt Udo Kratel, Vorsitzender des Praxisnetzes Dormagen, in dem nahezu alle Dormagener Mediziner (sowie einige Ärzte aus dem Neusser Süden und Kölner Norden) verschiedener Fachrichtungen vertreten sind. „In den Praxen sind weitreichende Schutzvorkehrungen getroffen“, sagt Kratel. Ihn und seine Kollegen treibt die Sorge um die Menschen um, die trotz Beschwerden sich scheuen, zum Arzt zu gehen und sich untersuchen zu lassen.
„Seit der Ausbreitung des Coronavirus auch in unserer Region ist die Zahl der Patientenkontakte in den Dormagener Praxen und auch in der hiesigen Notfallpraxis im Krankenhaus Dormagen erheblich zurückgegangen“, sagt Kratel und spricht von „zehn bis 20 Prozent“weniger Patienten in den Hausarztpraxen. Bei den Fachärzten dürfte die Zahl je nach Fachrichtung schwanken. Die Ärzte im Praxisnetz Dormagen weisen darauf hin, dass sowohl in den einzelnen Praxen als auch in der Notdienstpraxis weitreichende Schutzvorkehrungen getroffen wurden, damit die Infektionswelle auch lokal gut eingedämmt wird. Kratel erklärt: „Alle erforderlichen Corona-testuntersuchungen werden nach Anmeldung durch die Hausärzte zentral im Corona-testzentrum Neuss durchgeführt.“
Dort arbeiten Dormagener und Neusser Ärzte mit den ehrenamtlichen Helfern des Deutschen Roten Kreuzes und dem Kreisgesundheitsamt eng zusammen und entnehmen pro Woche ca. 400 Abstriche. „Glücklicherweise ist die Zahl der positiven Testergebnisse mit einer Quote von sieben Prozent sehr gering, und insgesamt ist auch die Zahl der Corona-kranken
im Rhein-kreis Neuss weiterhin sehr niedrig. Schwere Verläufe wurden nur in wenigen Einzelfällen beobachtet.“
Sorgen bereiten jedoch über die Corona-pandemie hinaus auch die zahlreichen anderen Akut-erkrankungen, die rascher Diagnostik und Therapie bedürfen. Hausarzt Kratel warnt: „Die Verschleppung bestimmter Symptome kann durchaus gefährlicher sein als die aktuell gefürchtete Corona-infektion.“Als Beispiele nennt er akute Schmerzen im Brustkorb, besonders wenn sie belastungsabhängig sind; akute Schmerzen im Bauchraum; Atembeschwerden; akute Lähmungserscheinungen an Armen oder Beinen mit oder ohne Sprachstörungen; Schwindel; Schwellung der Beine oder allergische Beschwerden.
„Diese Symptome müssen unbedingt abgeklärt werden, da sie Ausdruck einer potenziell bedrohlichen Erkrankung sein können.“
In den Praxen selbst haben auch die Mitarbeiterinnen alle Hände voll zu tun. Denn die Zeiten von vollen Wartezimmern sind durch Corona vorbei. „Wir haben natürlich jetzt eine andere Präsenz, maximal fünf, sechs Leute in der Praxis, mehr nicht.“Spontan in der Praxis vorbei gehen, ist unerwünscht, die Termine werden genau geplant, um möglichst wenige Begegnungen zu generieren. Die Mitarbeiterinnen rufen auch regelmäßig bei den Patienten an, die regelmäßig kommen und jetzt ausbleiben. „Ganz wichtig“, so betont Kratel: „bei Verdacht auf eine Corona-infektion dürfen weder die Hausarztpraxen noch die Notfallpraxis betreten werden! In diesem Fall ist zwingend eine telefonische Kontaktaufnahme erforderlich. Dann werden alle weiteren Maßnahmen besprochen und gegebenenfalls der Weg ins Testzentrum gewiesen.“
Für Notfälle dieser Art und auch schwere akute Infektionen stehen weiterhin die Ärzte in der Notfallpraxis in der Ambulanz des Krankenhauses bereit, wo sie Seite an Seite mit den Klinikärzten arbeiten und die medizinische Versorgung sicherstellen. In dringenden Fällen und in lebensbedrohlichen Situationen ist immer der Rettungsdienst mit Notarzt unter der Rufnummer 112 zu benachrichtigen.