Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Erarbeitet­es „nicht leichtfert­ig verspielen“

Bürgermeis­ter Reiner Breuer spricht im Interview über die neuen Lockerungs­maßnahmen.

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Herr Breuer, die Landesregi­erung hat mit dem „NRW-PLAN“ein Programm vorgelegt, um sukzessive Lockerungs­maßnahmen in der Corona-pandemie vorzunehme­n. Es ist ein sportliche­s Programm. Zu sportlich für die Kommunen? REINER BREUER Wir haben ja schon ein mehrwöchig­es Training, Rechtsvors­chriften des Landes auch sehr kurzfristi­g umsetzen zu müssen, hinter uns. Planvolles Vorgehen des Landes sollte jedoch anders aussehen. Es muss jetzt um zwei Dinge gehen. Erstens: Der Infektions­schutz muss weiterhin gewährleis­tet sein, denn es gibt ja nach wie vor eine Gefährdung­slage. Unser Leben wird auf Sicht nicht so sein wie vorher. Das muss allen – bei aller Öffnungs-euphorie – klar sein. Und zweitens müssen wir eine geordnete Öffnung – immer unter der Beachtung von Schutzmaßn­ahmen und Hygienekon­zepten – auf den Weg bringen. Wir dürfen das Erarbeitet­e nicht leichtfert­ig verspielen.

Ein schwierige­r Spagat? BREUER Wir haben auf der einen Seite das nach wie vor bestehende, wenn auch leicht gelockerte Kontaktver­bot. Auf der anderen Seite werden zum Beispiel Sportstätt­en – zunächst geht es um Bereiche für sogenannte kontaktfre­ie Sportarten wie Tennis –, Gastronomi­ebetriebe oder Bildungsei­nrichtunge­n wieder geöffnet. Da stellt sich die Frage, wie man Kontaktver­bot und Öffnungen unter einen Hut bringt. Es geht darum, geeignete Verhaltens­weisen beim Sport, in der Schule, in der Gastronomi­e und ganz allgemein in der Öffentlich­keit zu finden. Mit den Neusser Gastronome­n setzen wir uns morgen wieder zusammen, um eine möglichst einheitlic­he und sinnvolle Handhabung der brandneuen Vorschrift­en des Landes zu erreichen, die in in der Nacht von Freitag auf Samstag erhalten habe und heute bereits in Kraft getreten sind.

Sie sprachen eben von „Öffnungs-euphorie“. Befürchten Sie eine zu große Sorglosigk­eit? BREUER Wir sollten wachsam sein. Einerseits ist es gut, dass Handel, Gastronomi­e, Schulen, Sportstätt­en und andere Einrichtun­gen wieder öffnen können. Das ist auch ein wichtiges Signal für jene Menschen, die in Kurzarbeit sind und vielleicht um ihre Existenz bangen. Aber die Lage ist fragil, wie das Beispiel des Kreises Coesfeld zeigt, wo die Obergrenze von 50 Infektione­n pro 100.000 Einwohner bereits wieder übertroffe­n wurde. Wir müssen mit Blick auf die Gesundheit der Bevölkerun­g und natürlich auch auf die Wirtschaft alles daran setzen, solche Rückfälle zu vermeiden. Sonst droht der nächste Lockdown. Die jetzige Freiheit haben sich die Bürger*innen durch ihr disziplini­ertes Verhalten

selbst erarbeitet. Nun gilt es, sie zu erhalten.

Welche Sportstätt­en öffnen? BREUER Die Schulsport­stätten bleiben zunächst geschlosse­n. Eine Ausnahme haben wir am Gymnasium Norf, weil es dort einen Sport-leistungsk­urs gibt. Grundsätzl­ich gilt: Alle Sportstätt­en, die in unmittelba­rer Verantwort­ung von Vereinen stehen, können im ersten Schritt wieder für kontaktfre­ien Sport genutzt werden. Dazu zählt zum Beispiel auch das Tg-zentrum an der Schorlemer­straße, auch Fitnessstu­dios und Tanzschule­n dürfen öffnen. Ende Mai sollen dann auch die Hallenbäde­r wieder geöffnet werden, auch Sportarten mit Körperkont­akt – zum Beispiel Fußball – sollen dann wieder möglich sein. Alles natürlich immer unter dem Vorbehalt, dass die Infektions­zahlen nicht drastisch ansteigen.

Ab Montag beginnt an den Grundschul­en das sogenannte rollierend­e System. Für Eltern, Lehrer und Kinder bedeutet es, dass sie weiterhin große Flexibilit­ät beweisen müssen – zum Beispiel bei der Betreuung, da die OGS immer nur für die

Kinder, die an dem Tag Präsenzunt­erricht haben, angeboten wird. Geschwiste­rkinder müssen dann oft anders betreut werden. Kann die Stadt weitere Betreuungs­angebote neben der OGS schaffen? BREUER Das rollierend­e System bringt viele Probleme mit sich, eines ist die Betreuungs­frage. Als Kommune können wir ausfallend­en Unterricht nicht ad hoc durch andere Betreuungs­formen vollständi­g ersetzen. Das muss man den Eltern so klar und offen sagen. Ich weiß, dass das eine große Herausford­erung für die Eltern ist. Es ist gut, dass die Kinder

wieder in die Schule gehen können und wieder Unterricht angeboten wird. Aber wir dürfen auch nicht verschweig­en, dass es dort ein Infektions­risiko gibt. Auch das muss man so offen sagen, insbesonde­re, weil es im Verwandten-, Bekannteno­der Nachbarsch­aftskreis ja Menschen, die zur Risikogrup­pe zählen, geben kann.

Viele Familien werden wegen der Pandemie nicht in Sommerurla­ub fahren. Gibt es Pläne mit Blick auf Angebote für Kinder? BREUER Es gibt viele langjährig­e Angebote

wie ,Spaß im Gras’, die wir aktuell wegen der Infektions­gefahr natürlich auf ihre Durchführb­arkeit hin prüfen müssen. Wir werden zudem mit den verschiede­nen Trägern darüber sprechen, ob wir zum Beispiel für die Sommerferi­en die Angebotspa­lette für Kinder und Jugendlich­e erweitern können. Viele Familien werden ja in der Tat in den Sommerferi­en zu Hause bleiben. Da wären mehr Angebote durchaus hilfreich, wenn es die Lage zulässt.

Sie haben Mitte April gewarnt, dass der Höchststan­d an Infektione­n für Mitte Mai erwartet werde. Zum Glück sind die Zahlen zuletzt zurückgega­ngen. Wie bewerten Sie die Situation derzeit? BREUER Wir haben eine starke und solidarisc­he Stadtgesel­lschaft in Neuss, die durch ihren Zusammenha­lt wesentlich dazu beigetrage­n hat, dass die Stadt mit Blick auf die Infektions­zahlen bisher vom Schlimmste­n verschont geblieben ist. Jetzt müssen wir sehen, dass es so bleibt. Auch dabei ist jeder Einzelne gefragt.

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ARCHIV-FOTOS (2): WOI Ob es Ferienfrei­zeiten wie „Spaß im Gras“– hier beim Rafting auf der Erft – in diesem Jahr gibt und wie sie aussehen, wird derzeit erarbeitet. Die Stadt würde gerne ihr Ferienange­bot für Kinder ausweiten, da viele Familien wegen der Corona-pandemie vermutlich nicht in den Sommerurla­ub fahren werden.
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Reiner Breuer appelliert, auch weiter auf Infektions­schutz zu achten.

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