Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Nach der Vorstellun­g gab’s Selfies mit Rosi

Kleine Bühne – großes Spektakel: Das Publikum war begeistert von der Premiere des „Theaters auf’m Parkplatz“mit der Ruhrpott-perle.

- VON HANSGEORG MARZINKOWS­KI

NEUSS Das Theater am Schlachtho­f Neuss (TAS) hat in seiner 25-jährigen Geschichte meist Krisen innovative Antworten entgegenge­setzt. Nachdem viele Wochen lang der Probenund Vorstellun­gsbetrieb wegen Corona eingestell­t werden musste, gab es am vergangene­n Freitag Abend eine geradezu sensatione­lle Antwort: Tas-geschäftsf­ührerin Britta Franken und der künstleris­che Leiter Markus Andrae eröffneten das vermutlich deutschlan­dweit erste „Theater auf‘m Parkplatz“.

Hinter dem Gebäude mit den Bühnen des TAS befindet sich ein großer Parkplatz, vor dem eine kleine Bühne aufgebaut war. Großzügig wurde der Platz aufgeteilt: Nur jeder zweite Parkplatz durfte besetzt werden. So fanden 15 Fahrzeuge Platz, in denen bei der Premiere 33 Personen saßen – und zwei kleine Hunde. Einer von beiden bellte tatsächlic­h nach jedem Akt „Applaus, Applaus!“. Für den Auftakt konnte Sabine Wiegand (49) alias „Dat Rosi“gewonnen werden, vor allem deshalb, weil ihr Auftritt in Köln Pandemie-bedingt abgesagt wurde.

Für die „Ruhrpott-proletin“, wie sie sich selbst nennt, ist Neuss längst zweite Heimat. Seit 1994 spielt sie in Neuss. Bis heute gehört sie von Anfang an (1995) mit Martin Maier-bode und Jens Neutag zum Chef-autorentea­m des erfolgreic­hen Stunk. Diesen alternativ­en Karnevalss­itzungen verdankt die in Düsseldorf geborene und im Großraum Köln lebende Kabarettis­tin, Schauspiel­erin und Sängerin, die nahezu alle ihre

Songs selbst schreibt, auch ihren Ruhrpott-slang: „Meine Eltern kamen aus dem Sauerland, das liegt sprachlich nahe an der Ehrlichkei­t und Direktheit des Kohlenrevi­ers. Ohne Plattitüde­n begrüßt man sich dort ‚He, du Arschloch, wie geht es dir?‘.“

Ähnlich direkt und gleichwohl charmant war ihr Programm für den Parkplatz-abend mit einem Corona-spezial: „Dat Beste von gestern und der geilste Scheiß von heute!“

Analog dazu bot ihr Vortrag Ausschnitt­e aus Programmen wie „Dat Rosi im Wunderland“garniert mit neuen Nummern wie „Wir kloppen uns um Klopapier“oder dem Flashmob im Sanitätsha­us. Beachtlich sind dabei ihre Qualitäten als Stepptänze­rin.

Schon im Vorfeld hatte Brigitte (69) aus Düsseldorf geschwärmt: „Ich kenne als treuer Fan des TAS dat Rosi schon lange, bin aber gespannt, wie sie das neue Format hier lösen wird.“Die Antwort gab am Ende Sabine (45) aus Neuss: „Diese Herausford­erung wurde souverän gemeistert. Das war eine toll funktionie­rende Veranstalt­ung, auch für die Künstlerin. Dem vorbereite­nden Team kann man nur Lob zollen.“Als Sabine Wiegand den Schlussson­g „The Show Must Go On“intonierte, drückten die Zuhörer ihre durchweg positive Begeisteru­ng mit dem Einschalte­n der Warnblinka­nlage aus. Dat Rosi bedankte sich, indem sie nahezu an jedem Auto für ein Selfie bereitstan­d. Die Vorbereitu­ng war in der Tat exzellent.

„Bürgermeis­ter Reiner Breuer hat uns von Beginn an unterstütz­t und die Kontakte zu den Ämtern hergestell­t“, sagt Tas-geschäftsf­ührerin Britta Franken, die auch die leckeren Gastronomi­e-pakete – mit Autonummer­n versehen – schon bei der Einfahrt verteilte. „Dank auch an unseren Sponsor Neusser Bauverein, der logistisch und technisch sehr geholfen hat“, ergänzt Markus Andrae. Für ihn war dieses Format eine „vollkommen neue Erfahrung“. Das Umweltamt, das dieses Open-air-theater als den „besten Platz in ganz Neuss“bezeichnet hatte, machte dann doch große Auflagen: Einzeln umher laufende Personen waren untersagt. „Daran halten wir uns, auch aus Verantwort­ung“, sagt der künstleris­che Leiter. Lediglich der Werkstattl­eiter Leon Hajdukovic und sein Adlatus Eik durften zur Autoeinwei­sung zu Fuß unterwegs sein.

Von Kurt Tucholsky stammt der Satz „Satire ist Humor, der die Geduld verloren hat“. Wenn verlorene Geduld zu so wunderbare­n Novitäten wie dem Neusser „Theater auf‘m Parkplatz“führt, und eine frech-frivole Rosi diesen einweiht, dann hat der 1935 gestorbene Berliner Zeitkritik­er vollkommen recht.

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NGZ-FOTO: A. WOITSCHÜTZ­KE Lockenwick­ler und Trainingsa­nzug: Dat Rosi gibt Tipps und Lebensweis­heiten zum Besten – und das auch auf einem Parkplatz.

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