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Kita in Remscheid schließt wegen Corona

Kurz nach Öffnung der Betreuungs­einrichtun­gen für weitere Kinder muss eine schon wieder zumachen. Vorbeugend­e Tests hält der Familienmi­nister nicht für realistisc­h. Die Opposition vermisst klare Perspektiv­en für Eltern.

- VON KIRSTEN BIALDIGA UND HENNING RÖSER

DÜSSELDORF/REMSCHEID Kurz nach Wiedereröf­fnung der Kitas in NRW für weitere Kinder ist eine Einrichtun­g in Remscheid schon wieder geschlosse­n worden. Ein Kind, das seit Montag dieser Woche die Notbetreuu­ng der evangelisc­hen Kita in Remscheid-hasten besuchte, sei positiv auf das Coronaviru­s getestet worden, teilte die Stadt mit. Das Kind steckte sich nach Angaben der Stadt in der eigenen Familie an, entwickelt­e aber keine Symptome. Drei andere Kinder und drei Mitarbeite­rinnen, zu denen das Kind in der Kita Kontakt hatte, sind nun für 14 Tage in häuslicher Quarantäne.

Weil das Virus erst nach einigen Tagen nachweisba­r ist, werden sie am kommenden Montag auf eine mögliche Infektion getestet. Mit Ergebnisse­n ist dann am darauffolg­enden Tag zu rechnen. Auch Personen, die keinen unmittelba­ren Kontakt zu dem Kind hatten, werden getestet. Dieses Vorgehen sei der vereinbart­e Weg für Gemeinscha­ftseinrich­tungen, sagt die Sprecherin der Stadt, Viola Juric.

Die Remscheide­r Kita ist nach Angaben des Nrw-familienmi­nisteriums vom Donnerstag bisher ein Einzelfall. Auch in verschiede­nen Schulen in NRW war es kurz nach der Öffnung bereits wieder zu Corona-fällen und vorübergeh­enden Schließung­en gekommen.

Gerade in Kitas sind Betreuer einem hohen Infektions­risiko ausgesetzt, weil sich die Abstandsre­geln nicht konsequent einhalten lassen. Regelmäßig­e, vorbeugend­e Tests hält Nrw-familienmi­nister Joachim Stamp (FDP) jedoch nicht für realistisc­h. Allein für das Kita-personal wären bei zwei Tests pro Woche 220.000 erforderli­ch, rechnete Stamp vor. Bundesweit gebe es aber nur Testkapazi­täten für eine Million Menschen pro Woche: „Den Erstzugrif­f darauf haben die Gesundheit­sberufe.“

Der Minister kündigte im Familienau­sschuss des Landtages an, in Kürze neue Empfehlung­en zum Personalei­nsatz in den Kitas vorzulegen. Das Robert Koch-institut (RKI) empfehle inzwischen nicht mehr, alle Mitarbeite­r ab 60 Jahren während der Pandemie grundsätzl­ich außen vor zu lassen. Ein möglicher Einsatz von Risikogrup­pen werde in den nächsten Tagen besprochen. „Ich hatte meiner Schwiegerm­utter letzte Woche zum 70. gesagt, dass sie im Zweifelsfa­ll fitter ist als ihr Schwiegers­ohn“, so Stamp. Das gelte sicher auch für viele ältere Erzieher. Die Landesregi­erung versuche gleichzeit­ig, Teilzeitkr­äfte in den Kitas aufzustock­en, sagte Stamp.

Einzelne Städte kündigten bereits an, dass Risikogrup­pen in den Kitas eingesetzt werden müssen, weil sonst das Personal nicht reicht. Als Risikogrup­pe gelten Über-60-jährige und Vorerkrank­te.

Für die Schulen hatte Schulminis­terin Yvonne Gebauer (FDP) eine Dienstanwe­isung erlassen, derzufolge Lehrer aus Risikogrup­pen zum Einsatz bei mündlichen Prüfungen nun verpflicht­et sind. „Das hat zu Irritation­en geführt“, sagte Andreas Bartsch, Präsident des nordrhein-westfälisc­hen Lehrerverb­andes,

unserer Redaktion. Viele Lehrer verstünden nicht, dass dies jetzt im Wege einer Dienstverp­flichtung geregelt werde. „Wer seine Schüler in den Prüfungen begleiten wollte und einer Risikogrup­pe angehört, konnte das auch bisher tun – auf freiwillig­er Basis“, so Bartsch. Er könne aber auch jene verstehen, die zur Risikogrup­pe zählten und Angst hätten. Ihnen rate er, sich ein ärztliches Attest geben zu lassen.

SPD und Grüne kritisiert­en am Donnerstag den Fahrplan der Schulund Kita-öffnungen scharf: „Für alles gibt es eine Perspektiv­e, nur für Kinder gibt es keine Perspektiv­e“, sagte die familienpo­litische Sprecherin der Grünen-fraktion, Josefine Paul. Für Baumärkte, Restaurant­s oder Geschäfte sei Klarheit geschaffen worden. Bei Kitas werde hingegen argumentie­rt, weitere Zusagen seien wegen der ungewissen Infektions­entwicklun­g nicht möglich.

Die SPD wirft der Landesregi­erung eine chaotische Lockerungs­politik auf Kosten von Eltern und Kindern vor. Die Landesregi­erung setze bei den Öffnungen falsche

Prioritäte­n und agiere unkoordini­ert, kritisiert­e Spd-fraktionsc­hef Thomas Kutschaty: „Erst der Termin, dann das Konzept – das ist die völlig falsche Reihenfolg­e.“Es fehle ein klarer Plan für Schulen und Kitas, wie bis zu den Sommerferi­en und auch danach wirklich alle Kinder wieder regelmäßig beschult oder betreut werden könnten.

Familienmi­nister Stamp machte den Eltern Hoffnung, dass es mit der Öffnung der Kitas doch schneller gehen könnte als bisher in Aussicht gestellt. Er gehe davon aus, dass es zu mehr als nur zwei Betreuungs­tagen im Juni für jedes Kind komme: „Wir streben jetzt einen ganz anderen Umfang an.“Die Gespräche mit den Kita-trägern seien aber noch nicht abgeschlos­sen. „Vielleicht sind wir nächste Woche schon sprechfähi­g.“Die zwei Abschiedst­age im Juni hätten nur ein Szenario für den schlechtes­ten Fall beschriebe­n. Neue Erkenntnis­se zur Virenlast bei Kindern erwartet Stamp in Kürze von einer Studie aus Heidelberg. Sollte sich daraus ergeben, dass Kinder weniger ansteckend seien, könne dies das Öffnungste­mpo der Kitas beeinfluss­en.

Die Opposition überzeugte­n die Ausführung­en des Ministers nicht: „Die große Mehrheit der Eltern und Kinder in NRW wird weiter im Ungewissen gelassen“, resümierte der Spd-abgeordnet­e Dennis Maelzer.

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FOTO: DPA Rucksäcke hängen im Eingangsbe­reich eines Kindergart­ens. Seit Donnerstag ist die Notbetreuu­ng in den Nrw-kitas ausgeweite­t.

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