Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Telekom warnt vor zu viel Homeoffice
Der Konzern steuert beim digitalen Büro etwas um. Telekom-chef Höttges greift Vodafone und das Land NRW an.
BONN Die Deutsche Telekom berichtet von deutlich steigenden Nutzungszahlen wegen der Corona-krise. Telefonie per Handy sei zwischen Mitte März und Ende April um ein Drittel gestiegen, Telefonie vom Festnetz aus um 76 Prozent. Der Datenverkehr im Festnetz sei in der gleichen Zeit um ein Fünftel hochgegangen. Das sagte Telekom-chef Tim Höttges bei der Vorlage der Quartalszahlen. Durch die massive Ausweitung des Homeoffice würden inzwischen oft rund 70.000 Videokonferenzen gleichzeitig über das Netz des Konzerns laufen. Mehr als jedes zweite Unternehmen könne in Deutschland nur funktionieren, weil die Telekom das Netz bereitstelle. Das sei „ohne Ausfälle“geschehen. Höttges wörtlich. „Der Ackergaul Telekom zieht Deutschland auf seinen Netzen durch die Corona-krise.“
Gleichzeitig warnte der 57-Jährige vor einem zu blinden Vertrauen in die Arbeit vom Homeoffice aus. Die Telekom habe zwar 180.000 ihrer 211.000 Beschäftigten in die vorübergehende komplette Heimarbeit geschickt, aber jetzt hole man Teile der Belegschaft wieder zurück in die Büros. „Wenn die Leute zu lange nur zu Hause sind, wird das enorm anstrengend.“
Es sei nicht gut für die Motivation von Mitarbeitern, wenn sie eine zu große Distanz zu ihren Kollegen bekämen. Höttges: „20 Prozent der Beschäftigten in Bonn sind wieder da. Wir holen bald bis zur Hälfte der Mitarbeiter zurück. Aber ich glaube zutiefst daran, dass wir auf Dauer hybrid arbeiten werden.“Im Klartext:
Die anteilige Arbeit im Homeoffice sei sinnvoll und gewollt, aber der direkte Kontakt zu Vorgesetzten, Kollegen und Kunden sei auch wichtig.
Der Vorstandschef erzählte auch von erstaunlichen Entwicklungen während der Pandemie: In einer Eil-aktion habe man in sieben Tagen 16.000 Mitarbeiter der Call-center nach Hause geschickt, aber der Service habe sich gebessert. Die Techniker würden Termine pünktlicher erledigen, was aber auch daran läge, dass die zu betreuenden Kunden viel häufiger zu Hause gewesen seien. Kollegen würden sich seltener krank melden.
Insgesamt präsentierte Höttges den Bonner Konzern als absolut stabil. Der Umsatz sei im ersten Quartal um 2,3 Prozent auf 19,9 Milliarden Euro gewachsen. Das bereinigte operative Ergebnis habe sich um 10,2 Prozent auf 6,5 Milliarden Euro erhöht. Das Unternehmen halte daran fest, dieses Jahr 13 Milliarden Euro zu investieren. Die Dividende für 2019 werde wie angekündigt bei 60 Cent pro Aktie liegen, die Prognose für das Jahresergebnis werde nicht gesenkt.
Hart ging Höttges den hiesigen Hauptwettbewerber Vodafone Deutschland an. Es sei falsch, wenn das Düsseldorfer Unternehmen sich als wichtigster Antreiber der Digitalisierung darstelle, sagte er. Ohne die Abdeckung von 90 Prozent der Haushalte durch das VDSL-NETZ der Telekom hätte die Corona-krise nie bewältigt werden können. Das Kabelnetz von Vodafone habe die Schwäche, bei sehr hoher Auslastung durch viele Haushalte weniger schnell zu übertragen. Die Telekom habe im vergangenen Quartal mehr Breitbandkunden, mehr Vertragskunden im Mobilfunk und mehr neue Tv-kunden als der Herausforderer gewonnen.
Familienvater Höttges beschrieb es als sehr wichtig, die Schulen in der Corona-krise zu unterstützen. Der Konzern habe kostenfrei 40.000 Lizenzen für ein Video-konferenz-system verteilt.
Deutlich kritisierte der Solinger die Nrw-landesregierung. Die Telekom würde bereitstehen, „sofort“eine hohe Zahl an Nrw-schulen mit hyperschnellen Glasfaseranschlüssen zu versorgen, doch es gäbe keine Entscheidungen. Das Nrw-wirtschaftsministerium erklärt auf Anfrage, es sähe „große Fortschritte“bei der Versorgung der Schulen mit Gigabit-anschlüssen. 28 Prozent der Schulen seien „erschlossen“, bei 42 Prozent sei eine Förderung genehmigt oder der Bau in Umsetzung. Bei 23 Prozent sei eine Förderung vorgesehen oder beantragt. Bei sieben Prozent der Schulen tut sich anscheinend nichts.