Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Wie Geisel die Dezernenten zu Nebendarstellern macht
RATHAUS-KOLUMNE Der Oberbürgermeister macht gerne Sachen im Alleingang, das zeigt sich vor allem in der Corona-krise. Auf die Expertise seiner Dezernenten verzichtet Thomas Geisel weitestgehend.
Zum Comeback der Bundesliga-mannschaften läuft auch die Stadtspitze wieder mit mehr als einer Person öffentlich auf. Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD) tritt mit Ordnungsdezernent Christian Zaum (CDU) vor die Presse, um den Ablauf rund um das Fortuna-spiel gegen den SC Paderborn zu erklären. Das ist in der Tat eine Abwechslung. In den vergangenen Wochen konnte man den Eindruck gewinnen, die Führung der Stadt obliegt allein einer Person: OB Geisel. Das gilt vor allem für das Management der Corona-krise. Wenn einer sagte, was zu tun ist in der ungewöhnlichen Lage, dann war es der OB. Ihm sekundierten oft die Amtsleiter für Gesundheit und Feuerwehr, Klaus Göbels und David von der Lieth, beide Könner ihres Fachs.
Wen Geisel bislang im Corona-management fast gänzlich außen vor ließ, sind die vom Stadtrat gewählten Dezernenten, das sind quasi die Minister der Stadtregierung. Dass formell Feuerwehrdezernentin Helga Stulgies (Grüne) Vorsitzende des Krisenstabes ist, dürften nur Eingeweihte wissen. Geisel holte sich lieber die Amtsleiter an seine Seite und regierte mit ihnen durch. Für die eigentlich verantwortlichen Dezernenten mehr als unangenehm und auch nicht angemessen, wie man an einzelnen Punkten ablesen konnte. Der Umgang mit Gastronomie und Kultur in der Corona-zeit etwa verlangt mehr als rein fachliche Entscheidungen, es geht dabei um strategische Fragen der Stadtführung, bei denen die Dezernenten viel Erfahrungswissen einzubringen haben. Gefragt war dieses Wissen nicht, die Gastronomen fühlten sich von Geisel im Stich gelassen, als es um ihre immer bedrohlichere Lage ging. Das Krisentreffen im Rathaus für die freien Theater fand vor sieben Wochen statt, passiert ist bislang nichts.
Warum gibt es diese Distanz zwischen Geisel und seinen – eigentlich – wichtigsten Mitarbeitern? Zunächst einmal: Es ist Wahljahr, gute Krisenmanager haben beim Wahlvolk gute Chancen. Das weiß und nutzt Geisel, daraus sollte man ihm keinen Vorwurf machen, jeder andere Amtsinhaber mit Ambitionen auf eine Wiederwahl würde sich wohl ebenso verhalten. Aber was soll ein Gesundheitsdezernent davon halten, wenn ein Treffen mit wichtigen Vertretern der Landesregierung zu einem medizinischen Projekt zwar mit Geisel und Stadtdirektor Burkhard Hintzsche (SPD) stattfindet, er aber nicht dazugeladen wird?
Wenn man mit Stadtmanagern über solche Situationen spricht, fällt öfter das Wort Misstrauen. Gegenüber den Dezernenten, ja gegenüber der Verwaltung. Kämmerin Dorothee Schneider (SPD), die hohes Vertrauen bei nahezu allen Ratsleuten genießt, sieht sich immer wieder Vorbehalten des Stadtoberhaupts ausgesetzt. Geisels Versuch, ihr das Beteiligungsmanagement zu entziehen, scheiterte jedoch an breitem Widerstand.
Die Uneinigkeit zwischen Bund und Ländern bei den Corona-lockerungen
sorgt jedoch dafür, dass Geisel die Beigeordneten in den Krisenstab ruft. Da Kanzlerin Merkel die Verantwortung für Freigabemaßnahmen an die Länder abgetreten hat und damit der deutsche Flickenteppich beschlossene Sache ist, ist mehr auf kommunaler Ebene zu regeln und zu kontrollieren. Was dies im Detail bedeutet, wird in der dritten Stufe der Corona-schutzverordnung definiert. Die Aufgaben, die sich daraus ergeben, kann Geisel nicht mehr allein managen und trommelt die wichtigen Wahlbeamten deswegen wieder zusammen.