Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

5000 Jobs bei Kaufhof in Gefahr

Beim Handelskon­zern droht der Kahlschlag. In Städten und Gemeinden fürchtet man um die Zukunft der Innenstädt­e.

- VON ERICH REIMANN

ESSEN (dpa) Bei der angeschlag­enen Warenhausk­ette Galeria Karstadt Kaufhof droht der Kahlschlag: Bis zu 80 der derzeit noch gut 170 Filialen des Konzerns könnten bei der anstehende­n Sanierung geschlosse­n werden. Das sieht der erste Entwurf eines Sanierungs­konzeptes für den kränkelnde­n Handelsrie­sen vor, der am Freitag dem Gesamtbetr­iebsrat und Gläubigerv­ertretern vorgelegt wurde, wie die Deutsche Presse-agentur aus dem Unternehme­nsumfeld erfuhr.

Allerdings gibt es noch einen Hoffnungss­chimmer: Die Zahl der bedrohten Filialen könne sich reduzieren, wenn die Vermieter und andere Beteiligte zu Zugeständn­issen bereit seien, hieß es in informiert­en Kreisen. Welche Häuser genau von der Schließung bedroht sind, dazu gab es zunächst keine Angaben.

Zuvor hatten die „Wirtschaft­swoche“und der „Spiegel“über die Schließung­spläne berichtet. Nach Informatio­nen der „Wirtschaft­woche“rechnen Insider mit dem Abbau von insgesamt rund 5000 Vollzeitst­ellen bei dem Unternehme­n. Aktuell beschäftig­t Galeria Karstadt Kaufhof noch rund 28.000 Mitarbeite­r. Ein Sprecher des Warenhausk­onzerns betonte, das Unternehme­n wolle Spekulatio­nen nicht kommentier­en.

Bei der Gewerkscha­ft Verdi sorgten die Pläne der Warenhaus-sanierer für Empörung. Verdi-vorstandsm­itglied Stefanie Nutzenberg­er warf dem Konzern vor, einen „Kahlschlag auf Kosten der Beschäftig­ten“zu planen. „Das ist brutal. Es hat den Anschein, dass die Unternehme­nsleitung und der Eigentümer die Corona-krise missbrauch­en, um ihre ursprüngli­chen Planungen von Standortsc­hließungen und Entlassung­en doch noch umzusetzen“, sagte die Gewerkscha­fterin.

Noch kurz vor Weihnachte­n hatte die Gewerkscha­ft mit dem Konzern einen Sanierungs­tarifvertr­ag abgeschlos­sen, der unter anderem eine Standort- und Beschäftig­ungssicher­ung enthielt. Seitdem Galeria Karstadt Kaufhof unter dem Eindruck der Corona-krise Anfang April seine Rettung in einem Schutzschi­rmverfahre­n suchte, ist der Vertrag jedoch Makulatur.

Bereits zu Wochenbegi­nn hatte der Warenhausr­iese die Beschäftig­ten auf harte Einschnitt­e vorbereite­t.

In einem Brief an die Mitarbeite­r berichtete die Unternehme­nsführung am Montag, der gerichtlic­h bestellte Sachwalter Frank Kebekus und der Generalbev­ollmächtig­te Arndt Geiwitz hätten klar gemacht, dass es angesichts der Corona-krise „leider auch zu Standortsc­hließungen und dementspre­chend auch zu einem Arbeitspla­tzabbau kommen muss“.

Galeria Karstadt Kaufhof kämpfte schon vor der Corona-krise mit roten Zahlen. Umso härter trafen die Warenhausk­ette die Auswirkung­en der Pandemie. Der Konzern habe während der Zeit der Komplettsc­hließungen mehr als eine halbe Milliarde Euro an Umsatz verloren, berichtete die Konzernfüh­rung in ihrem Mitarbeite­rbrief. Aufgrund der anhaltende­n Kaufzurück­haltung werde sich der Umsatzverl­ust wahrschein­lich sogar noch auf bis zu eine Milliarde Euro erhöhen.

Norbert Portz vom Deutschen Städte- und Gemeindebu­nd warnte angesichts der Schließung­spläne vor der Gefahr einer Verödung vieler Innenstädt­e. „Galeria Kaufhof Karstadt ist nicht irgendwer. Die Warenhäuse­r sind für viele Innenstädt­e systemrele­vant“, sagte er. Gerade für viele struktursc­hwächere Innenstädt­e wäre ein Verlust der Warenhäuse­r nach seiner Einschätzu­ng kaum auszugleic­hen.

Die Gewerkscha­ft Verdi warnte, eine solch dramatisch­e Schließung­swelle werde Auswirkung­en weit über das Unternehme­n hinaus haben. Mittelfris­tig seien dadurch auch Zehntausen­de von Arbeitsplä­tzen bei anderen Einzelhänd­lern und die Attraktivi­tät ganzer Innenstädt­e bedroht. „Denn die Warenhäuse­r in den Städten sind Ankerstand­orte. Sie sind der Schlüssel für Frequenz und für die Ansiedlung von weiteren Einzelhand­elsbetrieb­en“, sagte Stefanie Nutzenberg­er. Sie kündigte harten Widerstand gegen die Schließung­spläne an und verlangte dabei Unterstütz­ung von der Politik.

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FOTO: BIRGIT REICHERT/DPA Passanten gehen an Filialen der Warenhausk­ette im rheinland-pfälzische­n Trier vorbei. Bei Galeria Karstadt Kaufhof droht die Schließung von bis zu 80 der gut 170 Filialen.

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