Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Jeder zehnte Händler vor Insolvenz

Trotz Corona-lockerunge­n stecken Einzel- und Großhändle­r in einer tiefen Krise.

- VON JAN DREBES

BERLIN Die Corona-pandemie hat dramatisch­e Folgen für viele Handelsunt­ernehmen in Deutschlan­d. Das ist das Ergebnis einer Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskam­mertags (DIHK), die unserer Redaktion vorliegt. Demnach sieht sich trotz erster Lockerungs­maßnahmen jeder zehnte Einzelhänd­ler aktuell von einer Insolvenz bedroht. Auch sechs Prozent der Großhändle­r stehen eigenen Angaben zufolge kurz vor der Pleite.

Die größten Probleme für die Unternehme­n sind die eingebroch­ene Nachfrage und damit geringere Umsätze bei gleichblei­bend hohen Kosten. Von den Anfang Mai befragten 10.000 Unternehme­n gaben knapp 40 Prozent an, ihre Investitio­nspläne für das laufende Jahr zu kürzen. Und knapp jeder dritte Betrieb beklagt massive Liquidität­sengpässe. „Dieses Ergebnis ist erschrecke­nd“, sagte Ilja Nothnagel, Mitglied der Dihk-hauptgesch­äftsführun­g. „Denn um die Wirtschaft wieder ans Laufen zu bekommen, brauchen die Betriebe finanziell­e Beinfreihe­it.“Nur so könnten sie ihr Geschäft, angepasst an Pandemie-bedingunge­n, wieder hochfahren. „Deshalb wäre ein umfassende­s Entlastung­spaket für die Unternehme­n das richtige Rezept aus der Krise“, sagte Nothnagel.

Für einige Branchen ergibt sich eine toxische Mischung: Die Lager von Mode- und Schuhhändl­er beispielsw­eise sind voll, die Rechnungen der Lieferante­n müssen unterdesse­n beglichen werden, zugleich drohen Rabattschl­achten, um ohnehin verunsiche­rte Kunden zu locken. Viele Unternehme­n versuchen daher, über Online-kanäle ihre Waren loszuwerde­n. So setzen auch immer mehr kleine Händler auf Plattforme­n wie das soziale Netzwerk Instagram.

Immerhin: Rund die Hälfte der befragten Unternehme­n rechnet laut DIHK mit einer Normalisie­rung des Geschäfts noch in diesem Jahr. 78 Prozent der Einzelhänd­ler rechnen mit einem Umsatzrück­gang, bei einer Umfrage im März waren es noch 82 Prozent. Zugleich gab nun ein knappes Drittel der Einzelhänd­ler und 27 Prozent der Großhändle­r an, so stark von der Krise betroffen zu sein, dass sie Personal abbauen müssen.

Bestimmte Branchen konnten in der Krise ihr Geschäft aber auch ausbauen. Der Logistiker DHL etwa befördert den Angaben zufolge aktuell fast doppelt so viele Pakete wie sonst üblich. Auch der Lebensmitt­elhandel, Drogeriemä­rkte, Apotheken und manche Online-händler profitiere­n von den Folgen der Krise. Auch Bau- und Gartenmärk­te gehören dazu. Sie bilden aber eine Minderheit. Nur sieben Prozent der Händler haben mehr Kunden.

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