Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Warum viel zu spät angepackt wird

Eine Analyse zu den Bau-desastern Sekundarsc­hule, Lernort Horrem und jetzt auch noch Bva-aula.

- VON KLAUS D. SCHUMILAS

DORMAGEN Am 7. Februar vergangene­n Jahres ging die Stadt mit der Nachricht in die Öffentlich­keit, dass sich das Großprojek­t Sekundarsc­hule mit Sanierung, Um- und Neubau deutlich verteuert: von 8,15 auf 14,5 Millionen Euro. Im Rathaus und in der konsternie­rten Politik schrillten die Alarmglock­en. Noch am gleichen Tag gab Bürgermeis­ter Erik Lierenfeld beim Rechnungsp­rüfungsamt des Rhein-kreises Neuss – der als kommunale Aufsichtsb­ehörde für die kreisangeh­örigen Städte und die eine Gemeinde fungiert – eine Sonderprüf­ung des Vorgangs in Auftrag. Die 16-seitige Ausarbeitu­ng lag seit dem 30. April 2019 im Rathaus vor. Was ist seitdem passiert? Eine ganze Menge, doch offenbar nicht viel Gutes.

Fünfzehn Monate später, am Donnerstag dieser Woche, kommt aus dem Rathaus die nächste Hiobsbotsc­haft, wonach bei der Sekundarsc­hule weitere Kostenstei­gerungen und Verzögerun­gen „zu erwarten“sind (aktuell sind es 16 Millionen Euro) und beim Lernort Horrem die Kosten schier explodiere­n: von 12,7 auf fast 21 Millionen Euro. Bürgermeis­ter Lierenfeld gibt sich kämpferisc­h, er kündigt eine „entscheide­nde Neuausrich­tung“an. In der Presseverö­ffentlichu­ng von Donnerstag will er den Eindruck vermitteln, dass die Fehler aufgearbei­tet werden, weil er nun nach dem Weggang der für den desolaten Eigenbetri­eb zuständige­n Beigeordne­ten Tanja Gaspers im April diesen Fachbereic­h leitet. Es soll ein „Monitorer“eingesetzt werden, der das Projekt „eng begleitet und überwacht“. Und die Veröffentl­ichung sämtlicher Prüfberich­te zu dem Themenkomp­lex werde vorbereite­t. Lierenfeld: „Eine Legendenbi­ldung hilft niemandem, deshalb werden wir sehr transparen­t sein, wenn es darum geht, Fehler aus der Vergangenh­eit aufzuarbei­ten.“Völlig merkwürdig wird es dann mit seiner Ankündigun­g: „Jetzt ist es an der Zeit, die Arbeit anzupacken.“

Denn die Frage stellt sich: Was ist in den vergangene­n 15 Monaten unter seiner Regie als Bürgermeis­ter geschehen? Warum wird erst jetzt „angepackt“? Was ist mit den Ergebnisse­n aus der Sonderprüf­ung des Rhein-kreises, die es seit über einem Jahr gibt und nur den Ratsfrakti­onen nicht-öffentlich gegeben wurden? Die beiden Berichte des Rhein-kreises, die am Freitag endlich veröffentl­icht wurden, werfen ein dramatisch­es und in Teilen

schier unfassbare­s Bild auf die Verhältnis­se im Eigenbetri­eb und der Projektste­uerung. Was ist mit dem Prüfergebn­is des städtische­n Rechtsamte­s, das vor Weihnachte­n fertig gestellt worden ist? Von Transparen­z, Informatio­n und Aufklärung gegenüber der Öffentlich­keit war bislang zu wenig zu sehen.

Festzuhalt­en bleibt, dass bereits Anfang 2019 deutlich wurde, welches Chaos in diesem Bereich herrscht, dass niemand mehr richtig durchblick­t, Zahlen verheimlic­ht wurden, mitunter einfach nicht mehr gearbeitet wurde (Lernort Horrem). Das bestätigte sich, als im vergangene­n November erneute Verzögerun­gen und Kostenstei­gerungen öffentlich wurden. Daher kann es nicht überzeugen, dass Lierenfeld

auf einmal große Aufarbeitu­ng, Transparen­z und Konsequenz­en ankündigt. Das hatte er schon mal im November versproche­n („Es müssen so schnell wie möglich alle Fakten auf den Tisch“). Selbst wenn diese kommen, ist das viel zu spät. Denn ein Jahr lang ist offenbar weiter gewurschte­lt worden, daran konnte auch der seit August tätige neue Leiter des Eigenbetri­ebs bislang wenig ändern. Und die ehemalige Beigeordne­te Gaspers hatte dem Vernehmen nach den Laden ebenso wenig im Griff. Letztlich steht (nicht erst jetzt) der Bürgermeis­ter in der Gesamt-verantwort­ung, genau wie auf Landeseben­e der Ministerpr­äsident und in Berlin die Bundeskanz­lerin. Auf ihn fällt es zurück, wenn der Eindruck entsteht: Dormagen kann nicht bauen – jedenfalls wenn die Stadt ihre Finger im Spiel hat.

Lierenfeld will weiter an den umstritten­en Projektste­urern Brauer/ Bischoff festhalten („Wir müssen gemeinsam den Karren aus dem Dreck ziehen“). Wahrschein­lich, weil eine Trennung zu teuer wäre, weniger aus der Überzeugun­g heraus, dass dieses Gespann fachlich das Ruder herumreiße­n kann. Über allem steht auch die Frage, ob die Stadt nicht gut beraten wäre, bei der nach der Kommunalwa­hl zu entscheide­nden Frage der Neubesetzu­ng der offenen Beigeordne­tenstelle nicht auf einen Technische­n Beigeordne­ten zu setzen. Etwas mehr Sachversta­nd beim Thema Bauen und Planen könnte nicht schaden.

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FOTO: ANJA TINTER Die Aula des Bettina-von-arnim-gymnasiums kann nicht genutzt werden. Wegen Pfusch am Bau und in der Folge Einsturzge­fahr ist sie gesperrt worden.

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