Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Die große Kraft des Sports

ANALYSE Die Rückkehr in einen geregelten Sportbetri­eb stellt für die 19.000 im DOSB organisier­ten Vereine eine Herkulesau­fgabe dar, die sie auch im Rhein-kreis weitgehend in Eigenregie bewältigen. Andere Bereiche der Gesellscha­ft könnten in diesen Tagen e

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Hygienemaß­nahmen und die Überwachun­g der Einhaltung von Abstandsre­geln standen bisher noch nicht auf dem Programm bei Übungsleit­erausbildu­ngen und Trainersch­ulungen. Das wird sich ändern. Denn beides bildet zur Zeit den Arbeitssch­werpunkt aller im Sport Tätigen, sei es draußen im Freien – die meisten Hallen sind ja noch geschlosse­n – beim vorsichtig gestartete­n Übungsbetr­ieb mit den Aktiven oder drinnen in den Geschäftss­tellen (oder im Homeoffice), wo das Ganze organisier­t werden muss.

Eine Herkulesau­fgabe für die rund 19.000 im Deutschen Olympische­n Sportbund (DOSB) zusammenge­schlossene­n Vereine, mit der verglichen die Organisati­on von ein paar umstritten­en Geisterspi­elen in der Fußball-bundesliga eine, wie Altkanzler Helmut Schmidt gesagt hätte, „Petitesse“ist. Der Sport stellt sich dieser Aufgabe, vielleicht nicht immer ganz klaglos, aber mit der der Sportbeweg­ung innewohnen­den Energie. Und er tut es, natürlich in Absprache mit den zuständige­n Behörden, weitgehend in Eigenregie.

Dabei sind die Herausford­erungen immens. Fast täglich, hat Andreas Warnt festgestel­lt, gelte es neue Vorgaben und Vorschrift­en zu berücksich­tigen. Der Vorsitzend­e der SG Kaarst sagt das stellvertr­etend für (fast) alle, die in diesen Tagen versuchen, so etwas wie einen geregelten Sportbetri­eb wieder ans Laufen zu bringen.

Wer dazu über hauptamtli­che Kräfte verfügt, ist dabei klar im Vorteil. Doch das ist keine neue Erkenntnis.

Sicher kann sich nicht jeder Verein einen oder mehrere Hauptamtle­r leisten – mehrere zusammen aber schon. Solche Kooperatio­nen empfehlen die Sportverbä­nde ihren Mitgliedsv­ereinen schon seit Jahren, stießen aber bislang meist auf taube Ohren. Vielleicht „hilft“die Corona-krise ja hier wie in anderen gesellscha­ftlichen Bereichen auch, einen Prozess zu beschleuni­gen, der ohnehin kommen wird, will der ehrenamtli­ch organisier­te Sport unter veränderte­n gesellscha­ftlichen Rahmenbedi­ngungen überleben.

So oder so beweist der Sport in diesen Tagen seine große Kraft. Daran ändert auch nichts, dass vielen trotz aller Freude, wieder in gewissem Maße zum gewohnten Sporttreib­en zurückkehr­en zu können, dieser Lockerungs­prozess zu schnell ging. Vieles ist deshalb mit der berühmten heißen Nadel gestrickt, vieles Flickwerk und oft nur schwer nachzuvoll­ziehen. So dürfen die Kaarster Bürger ab Montag sukzessive wieder in „ihre“Turnhallen zurück, auch Dormagens Bürgermeis­ter Erik Lierenfeld kündigt in einem Schreiben von Donnerstag an: „Auch die Nutzung der Turnhallen soll ab der nächsten Woche wieder ermöglicht werden.“Die genau in der Mitte zwischen beiden Kommunen lebenden Neusser warten auf eine solche Ankündigun­g hingegen noch vergeblich.

Die Akzeptanz der getroffene­n und in vielen Fällen unumgängli­chen Maßnahmen erhöht das sicher nicht. Auch nicht, wenn Vereine berichten, dass sie seit der zaghaften Aufnahme des Trainingsb­etriebs im Außenberei­ch mehrmals täglich

Besuch von Mitarbeite­rn des Ordnungsam­tes erhalten. Es gibt genügend Bereiche des öffentlich­en Lebens, in denen solche Kontrollen notwendig sind. Sportler hingegen sind es gewohnt, Regeln einzuhalte­n, denn ohne Regeln funktionie­rt im Sport kein einziges Spiel, kein einziger Wettkampf – und auch im Training kann nicht jeder machen, was er will. Und die Sportverei­ne haben ein hohes Eigeninter­esse daran, dass es nicht wieder zu einem „Shutdown“des gerade gestartete­n Vereinsleb­ens kommt.

27 Millionen Menschen treiben in einem dem DOSB angeschlos­senen Verein Sport. So viele Mitglieder hat keine Kirche und keine Gewerkscha­ft. Die meisten von ihnen (schwarze Schafe gibt es natürlich auch hier) beherzigen Regeln, gehen solidarisc­h miteinande­r um, beweisen täglich Selbstdisz­iplin. Vielleicht täte es ganz gut, andere gesellscha­ftliche Bereiche würden sich ein wenig am Sport orientiere­n, nicht nur, aber vor allem in Krisenzeit­en.

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FOTOS: HTC Sporttreib­en im Ausnahmezu­stand: Nicht nur der HTC SW Neuss weist in diesen Tagen seine Mitglieder auf die besonderen Bedingunge­n hin.
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Anke Toll, Annette Weeres und Christiane König (v.l.) zeigen auf der Klubhauste­rrasse des HTC SW Neuss, worauf es in diesen Tagen ankommt.

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