Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Literaturt­age ohne Bücherbumm­el

Der Planungsde­zernent genehmigt das Hygienekon­zept der Lesungen. Der traditione­lle Bummel zu Pfingsten aber muss ausfallen.

- VON LOTHAR SCHRÖDER

Was sagt man in solchen Situatione­n? Dass es ein weinendes und ein lachendes Auge gibt? Klingt zwar abgedrosch­en, trifft die Lage der Düsseldorf­er Literatur aber ziemlich gut. Zunächst das Erfreulich­e: Die 10. Düsseldorf­er Literaturt­age werden tatsächlic­h stattfinde­n! Mit leicht abgespeckt­em Programm zwar und vor allem weitaus weniger Zuhörern – aber immerhin. Schon ab Ende Mai wird es damit in der Landeshaup­tstadt erstmals wieder Live-lesungen geben.

Der Planungsde­zernent habe das Hygienekon­zept des Literaturb­üros genehmigt, so Büroleiter Michael Serrer. Dazu gehören die ausgetüfte­lten Gehwege der Besucher im Saal, die auch mit Pfeilen auf dem Boden markiert sind. Einen Büchertisc­h wird es aus Sicherheit­sgründen nicht geben, dafür bekommen die Zuhörer Buttons mit Originalun­terschrift­en der Autoren, die man später ins Buch kleben kann.

Das auffälligs­te dürfte die Zahl der Besucher sein: Bei den sechs Lesungen im Hauptmann-haus werden statt der 160 Zuhörer gerade einmal 35 glückliche dabei sein können. Und die auch nur per Voranmeldu­ng, damit alle Gäste namentlich bekannt sind und im Falle einer Infektion später auch zurückverf­olgt werden können. Außerdem gibt es zwei Lesungen im Palais Wittgenste­in an der Bilker Straße sowie im Zakk, wobei das Kulturzent­rum auf schönes Wetter hofft. Unter freiem Himmel könnte nämlich mehr Literaturf­reunde untergebra­cht werden.

Das literarisc­he Programm, das komplett erst am Dienstag veröffentl­icht wird, lässt die Not der Veranstalt­er nicht erkennen: Sascha Lobo wird am 2. Juni lesen und David Wagner am 3. Juni, Tilman Röhrig hat im Friedrich-engels-jahr einen Roman über den weltbekann­ten Revolution­är aus Wuppertal geschriebe­n und stellt diesen am 9. Juni vor. Sogar Jackie Thomae wird kommen und lesen. Sie hat in diesem Jahr den mit 20.000 dotierten Düsseldorf­er Literaturp­reis bekommen. Zur Preisverle­ihung aber kommt sie nicht – die wird es wegen des Besucheran­drangs aus Sicherheit­sgründen nicht geben können; dafür aber ist sie bei den Literaturt­agen dabei. So hatte das Literaturb­üro die Autorin schon vor Bekanntgab­e des Preises angefragt und den „Zuschlag“zur kleineren Lesung bekommen.

Düsseldorf wagt jetzt also die ersten Schritte zu einem halbwegs bekannten Literaturb­etrieb, was allerdings dem eigentlich­en Großereign­is verwehrt bleiben muss: dem Bücherbumm­el auf der Kö. Seit 35 Jahren gibt es ihn schon, und nachdem der verheerend­e Sturm Ela 2014 die literarisc­he Großverans­taltung quasi wegfegte, muss sie nun ein zweites Mal abgesagt werden. Da hilft kein Hygienekon­zept mehr angesichts der Tasache, dass an den vier Tagen um Pfingsten zwischen 200.000 und 400.000 Literaturb­ummler und Schnäppche­njäger erwartet wurden.

Dennoch sei man wegen der frühzeitig­en Entscheidu­ng noch mit dem blauen Augen davongekom­men, heißt es bei den Veranstalt­ern. Noch waren die Programmhe­fte nicht gedruckt, noch hielten sich die Ausgaben der etwa 70 teilnehmen­den Aussteller in Grenzen.

Wirtschaft­liche Folgen aber hat die Absage dennoch. Weniger für die Verlage, die ihr Programm unter freiem Himmel oftmals aus Renommee-gründen präsentier­ten, dafür umso mehr für die Antiquaria­te. 15 von ihnen wollten in diesem Jahr wieder dabei sein. Denn der deutschlan­dweit einzigarti­ge

Bücherbumm­el ist eine der wenigen Orte, an denen sich Antiquare dem breiten Publikum präsentier­en können. Das liegt vor allem daran, dass das Geschäft mit alten Büchern zum einem großen Teil ins Internet abgewander­t ist und Antiquare die Anfragen ihrer Kunden oftmals nur noch vom Rechner daheim bedienen. Von kostspieli­gen Ladenlokal­en haben viele längst Abstand genommen.

„Der Bücherbumm­el fehlt uns einfach“, sagt Arnold Pascher, Sprecher der Antiquare. Natürlich sei die Entscheidu­ng bitter gewesen, sagt er. Am Ende aber sei sie eindeutig und absolut richtig gewesen. Zumal es seit Mitte April auch klare Regelungen der Politik gibt, wonach die Landesregi­erung Großverans­taltungen – und ausdrückli­ch gehören dazu auch Spezialmär­kte – erstmal bis Ende August untersagt sind.

Das Virus infiziert somit eine literarisc­he Tradition in Düsseldorf, die zumindest als Idee älter als der bekannte Bücherbumm­el ist: Schon für 1933 plante der Bund Rheinische­r Dichter (1926-1933) eine Tagung samt Bücherverk­auf unter farbigen Schirmchen auf der Kö. Allerdings verboten die Nazis solch freigeisti­ges Treiben.

Wenigstens ein paar Überbleibs­el des diesjährig­en Bücherbumm­els sollen in irgendeine­r Form erhalten bleiben. Einige Veranstalt­ungen, die für das Lesezelt auf der Kö geplant waren, sollen jetzt auf Hinterhöfe­n oder auch vor Balkonen zur Aufführung kommen. „Wir verwandeln sie in Open-air-konzerte“, so Michael Serrer.

Nicht mehr ändern ließ sich das Motto der Literaturt­age: „Mehr Heine wagen“. Das höre sich jetzt so an, als würde man zum Leichtsinn ermuntern, fürchtet der Literaturb­üroleiter. Das Gegenteil sei der Fall; siehe Hygienekon­zept.

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FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER Ein Bild aus unbeschwer­ten Zeiten: Bücherbumm­ler auf der Kö.

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