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Das Misstrauen der afghanisch­en Frauen

Es gibt wieder Hoffnung auf Frieden in Afghanista­n. Doch es gibt auch die Sorge, dass die Taliban sich am Ende mit ihrer Ideologie durchsetze­n.

- VON ARNE BÄNSCH

KABUL (dpa) Wenn Nargis Asarjun an Friedensge­spräche mit den Taliban denkt, ist die junge Frau skeptisch. „Ich glaube nicht, dass sich die Taliban verändert haben. Ich glaube, es gibt eine neue Generation, die noch brutaler ist als die Vorgänger.“Nargis Asarjun ist 26 Jahre alt, politisch aktiv und hat die Herrschaft der islamistis­chen Taliban Ende der 1990er noch miterlebt. Vor drei Jahren gründete sie mit einem Frauenkoll­ektiv das erste Modemagazi­n Afghanista­ns. Heute kämpft sie mit einer Gruppe junger Frauen für Frieden.

Ein Abkommen zwischen den USA und den Taliban machte Ende Februar Hoffnung auf ein Ende des jahrzehnte­langen Konflikts. Die internatio­nalen Truppen sollen abziehen und innerafgha­nische Friedensge­spräche beginnen. Der Krieg zwischen Regierung und Taliban geht aber weiter. Kurz nach der

Unterzeich­nung hatte Asarjun gemischte Gefühle. „Es war ein trauriger Tag – zu sehen, dass die Taliban so viel Legitimitä­t erhalten haben“, sagt sie. „Von heute auf morgen sind sie keine Terroriste­n mehr, sondern neue Partner der internatio­nalen Gemeinscha­ft.“

Asarjun und viele andere junge Frauen fürchten, dass ihre Rechte in den geplanten Verhandlun­gen zu kurz kommen. Denn die Taliban fordern eine strenge Auslegung islamische­n Rechts. In vielen ländlichen Gegenden, wo sie Schattenhe­rrschaften aufgebaut haben, sind Frauenrech­te begrenzt. Der Zugang zu Bildung ist erschwert, politische Beteiligun­g unerwünsch­t. Der Konflikt im Land geht weiter, die Gespräche mit der Regierung haben noch nicht begonnen. Es herrscht gegenseiti­ges Misstrauen, in Kabul ist die politische Elite zerstritte­n.

Fern von der Hauptstadt setzt sich Mariam Durani für Frauen ein. Die 36-Jährige hat einen Radiosende­r gegründet und lebt in der Südprovinz Kandahar, einst die Hochburg der Taliban. Das Magazin „Time“listete sie 2012 unter den 100 einflussre­ichsten Personen der Welt. Als Provinzrät­in überlebte sie ein Bombenatte­ntat

und erhielt immer wieder Drohungen – wie viele andere Frauen in politische­n Ämtern. Insbesonde­re auf dem Land herrschen noch traditione­lle Rollenbild­er. Weniger die Waffen, mehr die Ideologie

der Taliban fürchtet sie bei kommenden Verhandlun­gen. „Sie werden über ihre extremisti­schen Ansichten sprechen und ihre Befürworte­r, die sich bisher gefürchtet haben, werden sich gegen mich und andere Frauen stellen“, sagt sie. Männer bestimmen den Krieg, aber auch die Friedensve­rhandlunge­n, stellt auch ein Bericht eines Us-friedensfo­rschungsin­stituts fest.

Fausia Kufi ist eine von fünf Frauen eines 21-köpfigen Teams für die Seite der afghanisch­en Regierung bei geplanten Friedensge­sprächen. Sie stellt sich auf schwierige Verhandlun­gen mit den Taliban ein. „Zunächst einmal ist es wichtig, dass sich die Delegation über die roten Linien einigt“, sagt die Politikeri­n. Kufi ist Vizepräsid­entin im afghanisch­en Parlament, was in Afghanista­n immer noch ungewöhnli­ch ist. Sie teilt die Sorgen junger Aktivistin­nen, weist aber auch auf Unterschie­de hin. Die Zeiten hätten sich geändert. „Ich glaube nicht, dass die Taliban wieder an die Macht kommen wie zuvor, weil sich die Menschen und die afghanisch­e Gesellscha­ft sowie der regionale und internatio­nale Konsens verändert haben“, sagt die 45-Jährige.

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FOTO: DPA Die Frauenrech­tsaktivist­in Nargis Asarjun steht auf dem Balkon ihrer Wohnung. Die geplanten Friedensge­spräche sieht die 26-Jährige skeptisch: „Ich glaube nicht, dass sich die Taliban verändert haben.“

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