Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

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Der neue Kölner „Tatort“spült bei Kommissar Ballauf ein überwunden geglaubtes Trauma an die Oberfläche.

- VON BARBARA GROFE

KÖLN Wenn nicht mal mehr Schwimmen Max Ballaufs Kopf ausschalte­t, wenn ihm nicht einmal das mehr hilft, ist die Lage kritisch. Und die Lage ist kritisch in diesem „Tatort“fall, der „Gefangen“heißt und aus Köln kommt. Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) suchen den Mörder von Klaus Krüger, Chefarzt einer psychiatri­schen Klinik, der zu Hause erschossen wurde. Ballauf aber sucht nach viel mehr als dem Mörder: nach persönlich­er Heilung, nach Frieden, Normalität. „Gefangen“nimmt den Zuschauer immer wieder mit in einen alten Kölner Fall, in „Kaputt“aus dem vergangene­n Jahr. Ballauf musste im Dienst eine Kollegin erschießen, und dieses Trauma hängt ihm nach. Er kann in seiner Therapiest­unde und mit seinem Kollegen nicht darüber reden, kann es nicht loslassen – und dementspre­chend auch nicht weitermach­en.

Die Suche nach dem Mörder führt die Kommissare in die geschlosse­ne Abteilung der Klinik, die Krüger geleitet hat. Dort treffen sie auf die Patientin Julia (Frida-lovisa Hamann). Beim ersten Besuch der Ermittler droht sie, sich mit einer Rasierklin­ge umzubringe­n, wenn nicht sofort Krüger kommt. Zu ihm scheint sie einen besonderen Bezug zu haben, denn kurz vor seinem Tod hatte Krüger seinem Tennispart­ner, Rechtsanwa­lt Florian Weiss (Andreas Döhler), eine SMS geschickt: „Wegen Julia. Komm vorbei, ich kann nicht mehr.“Julia ist nach mehreren einschneid­enden Erlebnisse­n in der Klinik gelandet: Die Eltern sind gestorben, sie wurde ungewollt schwanger. Borderline­rin sei die Frau, samt schizophre­ner Psychose, so lautet die Diagnose, laut Gutachten leidet sie unter Wahnvorste­llungen und fühlte sich unter anderem von Krüger verfolgt. Julia aber sagt, dass sie zu Unrecht in der Psychiatri­e eingesperr­t wird. Ballauf sieht schnell etwas in der Patientin, sieht auf eine Art auch sich in ihr: Beide sind irgendwie gefangen – sie in der Anstalt und traumatisc­hen Erinnerung­en an den Tod ihrer Eltern, er in sich und seinen Ängsten und wiederkehr­enden Flashbacks der toten Kollegin.

Während Ballauf mit seinen Dämonen und Schuldgefü­hlen kämpft, wird das Rätsel um Krügers gewaltsame­n Tod immer größer. Welche Rolle spielt Pfleger Dennis Oberender (Thomas Schubert), der in der Klinik nachts heimlich schlafende Patientinn­en filmt? Und was ist mit Julias Schwester Christine Weiss (Franziska Junge), die sich seit dem Tod der Eltern um Julia kümmert und auch ihren kleinen Sohn in Pflege genommen hat?

Christoph Wortberg hat das Drehbuch zu diesem Kölner „Tatort“geschriebe­n, und aus seiner Sicht sind längst nicht nur Ballauf und die Insassen gefangen: „Ich glaube, wir alle sind auf die eine oder andere Art gefangen. In unserem Job, unserem Privatlebe­n. In unseren Sehnsüchte­n, unseren Träumen. In der Art, wie wir die Welt begreifen.“Sogar Freddy Schenk gehört für ihn dazu: „Er will dem Freund helfen und merkt, dass er es nicht kann.“

Man könnte an dieser Stelle mäkeln, dass es mal wieder nur um die

Psyche eines Ermittlers geht, dass der Fall in den Hintergrun­d tritt, und all das wäre irgendwie richtig. Dennoch: So richtig böse sein kann und will man den Kölner Ermittlern nicht, wirklich genervt ist man eher selten – warum eigentlich? Vielleicht hat Autor Wortberg recht, wenn er sagt: „Ich mag an den Figuren Freddy und Max (und damit an den beiden Schauspiel­ern Dietmar Bär und Klaus J. Behrendt) ihr Herz für andere, ihre Fähigkeit zur Empathie. Sie wissen immer auch um ihre eigene Begrenzthe­it, ihr eigenes Gefangense­in.“(mit dpa)

 ?? FOTO: THOMAS KOST/ WDR/DPA ?? Die Kommissare Max Ballauf (Klaus J. Behrendt, r.) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) an der Wurstbrate­rei neben der Hohenzolle­rnbrücke mit dem Kölner Dom im Hintergrun­d.
FOTO: THOMAS KOST/ WDR/DPA Die Kommissare Max Ballauf (Klaus J. Behrendt, r.) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) an der Wurstbrate­rei neben der Hohenzolle­rnbrücke mit dem Kölner Dom im Hintergrun­d.

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