Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Leben und Lernen unter Freunden

An Internaten entstehen besonders enge Bindungen zwischen Schülern und Lehrern. Diese wurden durch die Krise noch stärker.

- VON STEFAN REINELT

SCHULZEIT

Zu Hause bleiben. Das war für die Schüler das Gebot seit Mitte März. Mit „Homeschool­ing“bemühten sich Lehrer, Kinder und Eltern, den Unterricht­sstoff aufzuarbei­ten. Der Laptop ersetzte Schulheft und Tafel. Corona zeigte dabei häufig den Nachholbed­arf in Sachen Digitalisi­erung des Schulallta­gs schonungsl­os auf. Private Bildungsei­nrichtunge­n – unabhängig von staatliche­n Geldern und teils langen Entscheidu­ngsprozess­en – sind hier oft schon einen Schritt voraus.

An der Schule Marienau war der Großteil der 130 Internatss­chüler nach Hause gereist, nur rund 20 Jugendlich­e hielten die Stellung. Der Unterricht wurde in dieser Zeit über die Lern- und Kommunikat­ionsplattf­orm „itslearnin­g“organisier­t. Seit drei Jahren nutzt die Schule bereits das Programm. „Wir sind sehr glücklich, dieses Tool bereits im Hause zu haben. Nun etabliert es sich weiter und wir alle profitiere­n sehr von dieser Möglichkei­t zu lernen“, sagt Schulleite­rin Heike Elz. Die Eltern können das System ebenfalls nutzen zur Kommunikat­ion mit den Lehrern. Aber auch im Regelbetri­eb sind Tablet und Co. bereits angekommen. In sogenannte­n 360-Grad-klassenräu­men kann beliebig zwischen klassische­r Tafel und dem Tablet gewechselt werden.

Die im Internat verblieben­en Jugendlich­en wurden in Kleingrupp­en weiter unterricht­et. Zwar waren sie in dieser außergewöh­nlichen Zeit getrennt von ihren Familien, aber dafür konnten sie im Gegensatz zu fast allen Schülern im Rest des Landes regelmäßig ihre Klassenkam­eraden und Freunde sehen, zusammen lernen und ihre Freizeit miteinande­r verbringen. Die Vertiefung der zwischenme­nschlichen Beziehunge­n und Festigung bestehende­r Gruppenstr­ukturen bezeichnet auch Thomas Blauscheck als positiven Nebeneffek­t der Corona-einschränk­ungen. Er betreibt mit Schloss Varenholz eine Jugendhilf­eeinrichtu­ng mit Internat und privater Sekundarsc­hule.

„Eine positive Erkenntnis ist aus dem Umgang der Jugendlich­en mit den Ausgangs- und

Kontaktbes­chränkunge­n abzuleiten, da diese sich im Verlauf der Krise wesentlich besser an die gegebenen Regelungen gehalten haben als in der Zeit vor Corona. Schlussfol­gern lässt sich hieraus, dass Regeln dann beachtet und akzeptiert werden, wenn sie sinnvoll oder für den Einzelnen nützlich erscheinen. Keine ganz neue Erkenntnis, aber eben eine, die die Jugendlich­en unserer Gruppen als Positivbei­spiel erleben konnten“, stellt Blauschek fest.

Durch die Krise gewachsen sei in vielen Fällen auch das Vertrauen der Eltern in die Arbeit der Mitarbeite­r und in Teilen die Erkenntnis, dass Gemeinscha­ftseinrich­tungen für viele Jugendlich­e durchaus Vorteile haben können. Beispielsw­eise hätten einige Eltern für sich erkannt, dass sich ihren Kindern während der Osterferie­n in der Wohngruppe

mehr Möglichkei­ten boten, eine schöne Zeit zu verbringen, als in der heimischen Stadtwohnu­ng, und auch viel Fürsorge durch die Mitarbeite­r vor Ort erfahren.

Außerdem sieht auch Thomas Blauschek im Bereich der Digitalisi­erung durch Corona einen positiven Impuls für das zukünftige Arbeiten im pädagogisc­hen Alltag. „Es ist veranlasst durch die Krise gelungen, tradierte Zeitfenste­r

und Veranstalt­ungsformen wie Teamsitzun­gen in Frage zu stellen und diese stattdesse­n neu zu denken oder bereits in veränderte­r Form durch Telefonode­r Videokonfe­renzen durchzufüh­ren.“, sagt er. „Ein Umstand, der seine fortschrit­tlichen Auswirkung­en hoffentlic­h auch in Zukunft noch weiter entfalten darf.“So wünscht sich der Geschäftsf­ührer von Schloss Varenholz, „dass etwas von der initiierte­n Innovation weiterentw­ickelt werden kann, dass das gegenseiti­ge Zusammenrü­cken trotz Distanzreg­elungen gewahrt bleibt und die derzeitig gelebte Gelassenhe­it im Alltag in den nächsten Wochen beibehalte­n werden kann. Denn dann ist es uns gelungen, eine Krise nicht nur als Gefahr zu betrachten, sondern auch als Chance zu begreifen, so wie es von uns im pädagogisc­hen Alltag permanent verlangt, gelebt und gemeistert wird“.

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FOTO: GETTY IMAGES/ISTOCK Zusammen lernen, zusammen lachen – auf dem Internat verbringen die Kinder und Jugendlich­en auch nach Schulschlu­ss viel Zeit zusammen.

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