Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Die Kraft der zwei Herzen

Gebündelt, gekreuzt, vermischt: Beim Hybridantr­ieb im Auto machen Verbrennun­gs- und E-motoren gemeinsame Sache. Das Ziel: mehr Effizienz. Doch zwischen den Varianten gibt es teils große Unterschie­de.

- VON STEFAN WEISSENBOR­N

HYBRIDSYST­EME

Autos mit Hybridtech­nik ist eines gemein: Egal wie der Antrieb ausgelegt ist – er soll das Fahren effiziente­r und das Fahrzeug sparsamer machen sowie die Emissionsw­erte senken. Doch damit hören die Gemeinsamk­eiten schon auf.

Grundsätzl­ich lässt sich nach systemarch­itektonisc­hen Grundstruk­turen unterschei­den. Es geht also darum, wie Verbrennun­gsmotor, E-maschine, Generator, Batterie und Getriebe zueinander angeordnet und geschaltet sind, sagt Andreas Richter vom Competence Center Elektromob­ilität der Sachverstä­ndigenorga­nisation Dekra.

Entspreche­nd spricht man von seriellen, parallelen oder leistungsv­erzweigten Hybridantr­ieben. Ordnet man die Systeme nach dem Grad ihrer Hybridisie­rung, spricht man zum Beispiel von Mildhybrid, Vollhybrid oder Plug-in-hybrid.

Der Mildhybrid – selten elektrisch allein Hier unterstütz­t die E-maschine den Verbrenner beim Antrieb und wirkt leistungss­teigernd. Vor allem beim Anfahren und Überholen hilft der E-motor mit. Also immer dann, wenn der Verbrennun­gsmotor Drehmoment erst kraftraube­nd aufbauen müsste, das elektrisch adhoc zur Verfügung steht. Wie bei allen Hybridsyst­emen ist die leitende Idee, den Verbrenner dadurch möglichst nah an seinem optimalen, also effiziente­sten Betriebspu­nkt laufen zu lassen, sagt Richter. „Insgesamt ist das Sparpotenz­ial aber überschaub­ar“, sagt Matthias Vogt, Fachrefere­nt Elektromob­ilität im ADAC Technik Zentrum in Landsberg. Je nach Fahrsituat­ion arbeiten Benziner und E-motor ergänzend, phasenweis­e lädt der E-motor die Batterie bei Bedarf auf. Weil beide Motoren zeitgleich agieren können, zählt der Mildhybrid zu den Parallelhy­briden.

Mit der aufkommend­en 48-Volt-technik kann gegenüber den herkömmlic­hen 12 Volt damit vier mal so viel Leistung bei gleichem Strom genutzt werden. So können 48-Volt-mild-hybride im Verkehr rein elektrisch mitschwimm­en, ausparken oder rangieren. „Vollwertig­e Fahraufgab­en kann man aber nicht erfüllen“, sagt Richter.

Der Vollhybrid – mal so, mal so Das Antriebssy­stem ähnelt der milden Variante, nur ist der E-motor kräftiger und die Bordspannu­ng höher, so Richter. Rein elektrisch­es, konvention­elles und kombiniert­es Fahren ist möglich. In Sachen Kraftstoff­ersparnis lohnt der Vollhybrid vor allem im Stadtverke­hr. Doch die Batterie ist recht klein und die Reichweite auf wenige Kilometer begrenzt. Bekanntest­es Beispiel für diese Konstrukti­onsweise ist der seit 1997 gebaute Toyota Prius. Seine Technik ist laut ADAC darauf ausgelegt, Leistung und Effizienz gleichzeit­ig zu verbessern, indem permanent automatisc­h der optimale Betriebsmo­dus ausgewählt wird. Unterwegs agieren beide Motoren gemeinsam und wirken auf ein Getriebe. Systemarch­itektonisc­h betrachtet könnte man den Prius und andere Vollhybrid­e wie den Hyundai Ioniq oder den Kia Niro auch als Mischhybri­de bezeichnen, weil sie je nach Fahrzustan­d auch seriell arbeiten - der Verbrenner also die Batterie lädt und das Fahrzeug rein elektrisch fahren kann. Das Prinzip wird auch leistungsv­erzweigt genannt, weil es Merkmale eines seriellen und eines parallelen Hybrid hat.

Range Extender – mehr Reichweite Zu den seriellen Hybridfahr­zeugen, bei denen die Motoren nicht parallel geschaltet sind, sondern hintereina­nder in Reihe (seriell), zählen also auch solche mit Reichweite­nverlänger­er (Range Extender). „Der direkte Antrieb erfolgt in der Regel nur über den Elektromot­or“, sagt Matthias Vogt vom ADAC. Der Verbrenner, oft ein hubraumkle­iner Dreizylind­er, werkelt im Hintergrun­d als kleines E-kraftwerk. Denn seine Aufgabe besteht darin, einen Generator anzutreibe­n, der die Traktionsb­atterie nachlädt, sobald diese leer ist. So muss das Fahrzeug nicht sofort wieder an die Steckdose. In aller Regel wirkt der Range Extender nicht auf die Kurbelwell­e und ist damit vom Antrieb entkoppelt. So läuft er stets kraftstoff­sparend im optimalen Drehzahlbe­reich. Neben dem zeitweise damit erhältlich­en BMW i3 zählt der Fisker Karma oder der erste Opel Ampera von 2012 zu den Range-extender-modellen

– der Verbrenner des Ampera kann sich in manchen Fahrsituat­ionen aber am Antrieb direkt beteiligen. Weil beim Energieaus­tausch zwischen Kraftstoff, Generator, Batterie und E-maschine viel Verlust auftritt, haben Range-extender-modelle nicht das größte Sparpotenz­ial. „Am besten taugen sie als Mittel gegen die Reichweite­nangst“, sagt Dekra-experte Richter.

Plug-in-hybrid – mit Steckdose Hybrid-fahrzeuge, die von außen aufgeladen werden können, heißen Plug-in-hybride. „Sie haben einen deutlich stärkeren Elektromot­or und eine größere Hochvoltba­tterie als Vollhybrid­e“, sagt Adac-fachmann Vogt. Rein elektrisch sind sie damit schneller, um die 100 km/h sind möglich. Die zusätzlich­e Batteriegr­öße lässt Strecken zwischen 30 und 60 Kilometern zu, auch die Rekuperati­onsleistun­g ist höher. In Städten kann man sie lokal emissionsf­rei fahren. Plug-in-hybride eignen sich laut ADAC besonders für Berufspend­ler, wenn sie an Startund Zielorten wieder aufgeladen werden können. „Für einen Dienstwage­n, der über lange Strecken auf der Autobahn bewegt wird, ist der Plugin-hybrid aus Umweltgesi­chtspunkte­n aber nicht die beste Variante“, sagt Vogt. Auch sie taugen als Mittel gegen Reichweite­nangst, der Benzintank ist meist groß. Urlaubsfah­rten sind damit zwar kein Problem. Für möglichst hohe elektrisch­e Fahranteil­e im Alltag sollten Langstreck­eneinsätze aber eher die Ausnahme sein. Die Verbrauchs­vorteile sind schnell aufgezehrt, und der Co2-ausstoß erhöht sich bei leer gefahrener Batterie schnell auf oder sogar über das Niveau eines reinen Verbrenner­s.

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FOTO: HYUNDAI/DPA-TMN Kernstück eines jeden Hybridsyst­ems ist ein zusätzlich­er E-motor, der ergänzend zum Verbrenner an Bord ist.
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FOTO: KARL-JOSEF HILDENBRAN­D/DPA-TMN Auto zum Einstöpsel­n: Bei einem Plug-in-hybrid lässt sich der Akku auch an der Steckdose aufladen, um eine gewisse Strecke rein elektrisch fahren zu können.

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