Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

SPD will Pflegekräf­te zurückhole­n

In Deutschlan­d arbeiten rund 90 Prozent der osteuropäi­schen 24-Stunden-pfleger schwarz. Wegen der Corona-krise sind viele in ihre Heimatländ­er zurückgeke­hrt – und hängen dort fest.

- VON MAXIMILIAN PLÜCK

DÜSSELDORF In Deutschlan­d kümmern sich nach Schätzunge­n des Verbands für häusliche Betreuung und Pflege (VHBP) rund 300.000 Arbeitskrä­fte aus Osteuropa rund um die Uhr um alte und kranke Menschen („24-Stunden-pflege“). 90 Prozent von ihnen sind laut Verband schwarz beschäftig­t. Das wird nun zum Problem: „Viele dieser Frauen, die im Zuge der Corona-krise in ihre Heimat gefahren sind, dürfen auf Anordnung der dortigen Behörden nicht zurück oder scheuen die Rückkehr“, sagte der gesundheit­spolitisch­e Sprecher der Spd-landtagsfr­aktion, Josef Neumann.

„Schwarzarb­eit ist kein Kavaliersd­elikt, und ich verurteile sie aufs Schärfste“, sagte Neumann, warnte jedoch gleichzeit­ig davor, dass die betroffene­n Familien so schnell keinen Ersatz bei den Agenturen oder den örtlichen Pflegedien­sten bekämen. Denn dort fehlten die Kapazitäte­n. „Viele Angehörige können sich das legale Angebot schlicht nicht leisten. Gerade deshalb haben sie ja den Weg der Schwarzarb­eit gewählt“, sagte der Spd-politiker. „Wenn nun auf einen Schlag Zehntausen­de Menschen ohne Pflegekräf­te dastehen, haben wir ein massives Problem, bei dem die Politik schnell handeln muss.“

Neumann fordert, diese Menschen zügig in die Legalität zu holen. „Das kann nur gelingen, wenn es eine Amnestie für die Familien und die Pflegekräf­te gibt und wir anschließe­nd ein System schaffen, in dem sie ordnungsge­mäß angestellt sind, ohne die Familien finanziell zu überforder­n.“Dafür müsse sich die Landesregi­erung beim Bund einsetzen. Zusätzlich bedürfe es einer Lösung auf europäisch­er Ebene.

Das nordrhein-westfälisc­he Gesundheit­sministeri­um sieht – anders als die Opposition und der Pflegeverb­and – keine Gefahr, dass es zu Versorgung­sengpässen in der aktuellen Situation kommen könne: „Insbesonde­re wurden flexible Versorgung­smöglichke­iten geschaffen – durch ambulante Dienste oder auch andere Leistungse­rbringer sowie ergänzend durch Angebote zur Unterstütz­ung im Alltag“, sagte ein Sprecher. „Wir haben zudem zu Beginn des Ausbruchs Vorkehrung­en getroffen, damit Menschen, deren Versorgung in der eigenen Häuslichke­it nicht mehr gewährleis­tet ist, in stationäre Pflegeeinr­ichtungen aufgenomme­n werden können.“So sei beispielsw­eise die Möglichkei­t geschaffen worden, dass bei Bedarf die Einzelzimm­erquote außer Kraft gesetzt werden könne, um mehr Menschen in den Einrichtun­gen unterzubri­ngen. Auch sei derzeit nach Auskunft verschiede­ner Anlaufstel­len und Akteure festzustel­len, dass zunehmend Bestrebung­en der Legalisier­ung zu verzeichne­n seien. „Hintergrun­d ist die Tatsache, dass Nachweise vertraglic­her Vereinbaru­ngen grenzübers­chreitende Tätigkeite­n erleichter­n“, sagte der Sprecher des Ministeriu­ms.

Die Entscheidu­ng für Schwarzarb­eit fällen laut VHBP viele Familien aus Kostenerwä­gungen, denn die Betreuungs­personen könnten für rund 800 bis 1000 Euro pro Monat günstiger arbeiten als legal tätige Pfleger. Neumann fordert deshalb eine Neuaufstel­lung der Pflegevers­icherung: „Derzeit haben wir eine Teilkaskov­ersicherun­g, bei der viele Menschen sich die Zusatzkost­en nicht leisten können und im Notfall die Kommune einspringe­n muss. Wir werden nicht darum herumkomme­n, daraus eine Vollkaskov­ersicherun­g zu machen. Dafür muss aber mehr Geld ins System. Das ist eine gesamtgese­llschaftli­che Aufgabe.“Leitartike­l

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