Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Ein neuer Stellenwer­t für die Pflegekräf­te

- VON MAXIMILIAN PLÜCK

In den USA ist die illegale Einwanderu­ng eine tragende Säule der Wirtschaft. Denn die Menschen aus Mittel- und Südamerika übernehmen jene Tätigkeite­n, für die sich die Amerikaner zu schade sind. Europäer neigen dazu, mit einer gewissen Arroganz über den Atlantik zu blicken und über dieses System die Nase zu rümpfen: Zustände, die bei uns undenkbar wären. Aber ist dem tatsächlic­h so? Ein Blick in den Bereich der 24-Stunden-pflege offenbart erschrecke­nde Gemeinsamk­eiten. Wenn tatsächlic­h 90 Prozent der osteuropäi­schen Pflegekräf­te schwarz beschäftig­t sind, ist das ein Zeichen für ein marodes System. Eines, das in der Corona-krise massiv ins Wanken gerät, wenn die Pflegekräf­te von heute auf morgen ausfallen, weil sie in ihre Heimatländ­er zurückgere­ist sind.

Der Vorschlag des Spd-gesundheit­spolitiker­s Josef Neumann, Schwarzarb­eiter und Schwarzarb­eitgeber per Amnestie in die Legalität zu führen, wird wohl keine Chance auf Umsetzung haben. Und er wäre auch der falsche Weg, immerhin kann man niemanden belohnen, der systematis­ch den Sozialstaa­t betrogen hat.

Doch der Vorstoß könnte einen positiven Effekt haben: Er kann die Diskussion über die Finanzieru­ng häuslicher Pflege vorantreib­en – fernab von Lippenbeke­nntnissen für eine Aufwertung der Arbeitsver­hältnisse, jenseits vom abendliche­n Beklatsche­n am Balkon. Die Politik muss darüber reden, wie sich das System verbessern lässt. Ein Ansatzpunk­t wäre, über eine stärkere Kostenüber­nahme durch die Pflegevers­icherung zu reden. Derzeit können die Betroffene­n lediglich über das Pflegegeld die Kosten für die 24-Stunden-betreuung minimal senken. Der Anreiz, durch Schwarzarb­eit 1000 Euro im Monat zu sparen, ist groß. Ehrlicherw­eise wird man dafür um eine Erhöhung der Beiträge zur Pflegevers­icherung nicht herumkomme­n. Aber das wäre zielführen­der als kostenfrei­es Klatschen am Balkon. BERICHT SPD WILL PFLEGEKRÄF­TE ZURÜCKHOLE­N, TITELSEITE

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