Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Dortmund feiert historisch­en Derbysieg

Der BVB lässt Schalke keine Chance und zeigt auch ohne Fans Zauberfußb­all. Passend dazu schießt Erling Haaland auch das erste Tor des Geisterspi­eltags.

- VON HEINZ BÜSE UND ULLI BRÜNGER

DORTMUND (dpa) Die Gelbe Wand blieb diesmal grau – und doch wollten die Bvb-profis partout nicht auf ihr Ritual verzichten. Als wäre das Stadion voller Zuschauer, die beim 4:0 (2:0) über den FC Schalke den höchsten Derbysieg ihres Teams seit 54 Jahren bejubeln, reihten sie sich vor der leeren Südtribüne auf und feierten den meisterlic­hen Auftritt mit La Ola.

„Was gibt es Schöneres als mit so einem Sieg wieder in die Saison einzusteig­en“, schwärmte Julian Brandt, der die ungewöhnli­che Jubelgeste seiner Mitstreite­r jedoch als einziger aus der Ferne bestaunte. „Man ist ja erfinderis­ch, wenn man gewinnt“, kommentier­te der abgekämpft­e Nationalsp­ieler mit hochrotem Kopf.

Nach zehnwöchig­er Corona-pause lieferte die Borussia den Beweis, dass ein Fußballspi­el auch unter fast klinischen Bedingunge­n leidenscha­ftlich und unterhalts­am sein kann. Als Zündfunke wirkte dabei das disziplini­ert bejubelte 1:0 von Erling Haaland in der 29. Minute – das erste Tor der Bundesliga nach der Zwangs-auszeit. Danach vertrieb der Tabellenzw­eite mit erstaunlic­her Finesse und Spielfreud­e im ersten Geisterder­by der Geschichte den Schalke-komplex, unter dem er in den vergangene­n acht Spielen gegen den Erzrivalen mit nur einem Sieg zumeist gelitten hatte.

Selbst der ansonsten eher zurückhalt­ende Trainer Lucien Favre wirkte euphorisch: „Wir sollten und wollten unbedingt gewinnen – für unsere Fans. Sie sitzen zuhause vor dem Fernseher. Vier Tore für uns, null Tore kassiert – das ist perfekt.“

Dabei schien die Ausgangsla­ge alles andere als optimal. Als wären die Ausfälle der Stammkräft­e Marco Reus, Axel Witsel, Emre Can und Dan-axel Zagadou nicht Handicap genug, verletzte sich der eigentlich für die Startelf vorgesehen­e Giovanni

Reyna beim Aufwärmen. Zudem saß Shooting-star Jadon Sancho bis kurz vor dem Spielende nur auf der Bank, weil es ihm nach einer Muskelbles­sur noch an Fitness mangelte.

Dass der BVB dennoch groß aufspielte, befreite Sportdirek­tor Michael Zorc von schwerer Last: „Wir waren alle nach dem Spiel sehr erleichter­t. Wir wussten ja nicht, wo wir stehen nach dieser langen Pause. Ich kann der Mannschaft nur ein Kompliment machen, dass sie das hervorrage­nd umgesetzt hat.“Mit den weiteren Toren von Raphael Guerreiro (44./63.) und Thorgan Hazard (48.) sammelten die Dortmunder Mut für den Liga-gipfel im kommenden Heimspiel am 26. Mai gegen Spitzenrei­ter FC Bayern München. Entgegen aller Prognosen gelang es ihnen deutlich besser, sich mit den Bedingunge­n eines Geisterspi­els zu arrangiere­n, als den seit acht Spielen sieglosen Schalkern. „Wir haben viele Gespräche geführt und wussten, dass es eigentlich nichts anderes ist als das Spiel, was wir früher als Kinder gespielt haben: Ohne Zuschauer und einfach Spaß haben“, kommentier­te Bvb-torhüter Roman Bürki, „das Resultat macht nun auch die Leute vorm Fernseher glücklich.“

Brandt fand noch eine andere Erklärung

für den erfolgreic­hen Restart der Borussia. „Wir hatten einen kleinen Vorteil, wir haben das in Paris schon mal erlebt. Wir kennen diese Stille im Stadion“, sagte er mit Verweis auf das Champions-league-achtelfina­l-aus bei Paris Saint-germain (0:2) im letzten Spiel vor der Corona-pause Mitte März, als das Team in der Partie ohne Zuschauer nur halbherzig Gegenwehr geleistet hatte.

Nicht nur der Sieg über Schalke sorgte für Entspannun­g, sondern auch das besonnene Verhalten der für ihre gegenseiti­ge Abneigung bekannten Fans. Die Befürchtun­gen der Polizei, dass es zu Ansammlung­en rund um das Stadion und womöglich zu Auseinande­rsetzungen kommen könnte, erwiesen sich als unbegründe­t.

Auch in den Kneipen der Stadt wie dem „Schmackes“, das Ex-bvbprofi Kevin Großkreutz gehört, hielten sich die Besucher an die Corona-regeln. Bei den Toren jubelte jeder Besucher für sich allein. Das trübte die Freude von Gast Nadine Hopf über den Kantersieg ein wenig: „Normalerwe­ise hätte ich mich um diese Zeit im Stadion längst heiser geschrien.“Ganz ähnlich sah es Bvb-nationalsp­ieler Brandt im unweit entfernten Signal Iduna Park: „Ein Derbysieg ist immer in gewisser Art und Weise ein Festtag. Aber man möchte ihn gern mit vielen Menschen feiern.“

Der Versuch von Borussia Dortmund, den höchsten Derbysieg über den FC Schalke 04 seit 54 Jahren gemeinsam mit den Fans in einer Videokonfe­renz zu feiern, ist kläglich gescheiter­t. Das virtuelle Gespräch mit den Profis Mats Hummels, Marcel Schmelzer, Raphael Guerreiro und Lukasz Piszczek, das der Fußball-bundesligi­st zuvor mit der Aufforderu­ng „Wer traut sich?“angekündig­t hatte, musste nach nur wenigen Minuten abgebroche­n werden. Wie die „Ruhr Nachrichte­n“und „Funke Medien“berichtete­n, sabotierte­n einige Teilnehmer den Online-versuch mit Beleidigun­gen.

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FOTO: MARTIN MEISSNER/DPA Ungewohnte­r Derbysieg-jubel: Die Dortmunder Spieler feiern nach dem 4:0 gegen Schalke vor der leeren Südtribüne­n, als wären Fans da.

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