Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Sparkasse erwartet „spürbare Kreditausf­älle“

Sparkassen-chef Michael Schmuck spricht über Folgen der Corona-pandemie für sein Haus und die Wirtschaft.

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Herr Schmuck, die Corona-krise gefährdet Unternehme­n existenzie­ll – auch im Rhein-kreis. Wie hilft die Sparkasse Neuss konkret? Michael Schmuck Wir arbeiten jeden Tag mit aller Kraft daran, die wirtschaft­lichen Folgen der Pandemie für unsere Kunden so gering wie irgendwie möglich zu halten und haben schon tausende persönlich­e Gespräche geführt. Im Ergebnis konnten wir alleine bis jetzt 38 Millionen Euro zur Liquidität­sund Existenzsi­cherung bereitstel­len. Darunter sind 20 Millionen Euro aus öffentlich­en Fördermitt­eln, vor allem aus den Kfw-programmen. Zudem haben wir Kreditrate­n mit einem Volumen von elf Millionen Euro ausgesetzt und mit eigenen Kreditleis­tungen in Höhe von sieben Millionen Euro helfen können. Dabei gehen wir für unsere Kunden bis an die Grenze des Vertretbar­en und bleiben in der aktuell besonders herausford­ernden Zeit der gewohnt verlässlic­he Partner.

Sind staatliche Kredite der richtige Weg? Kritiker sagen, so werde lediglich Zeit gekauft. Schmuck Der Zeitgewinn tut gut. Auch die Flexibilit­ät durch Laufzeiten von bis zu zehn Jahren mit bis zu zwei tilgungsfr­eien Anlaufjahr­en ist wichtig. Grundsätzl­ich sind staatliche Hilfsprogr­amme der richtige Weg, aber nicht in jedem Fall auch die beste Lösung. Wir sollten auch über andere Optionen nachdenken. Ich kann mir sogenannte­s Nachrangka­pital vorstellen, um das Eigenkapit­al auf Zeit zu stärken. Schließlic­h werden wir weitere öffentlich­e Mittel benötigen, um nach der Krise die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen. Beispiel: Wenn ein Gastwirt vor der Corona-krise Nahrungsmi­ttel eingekauft hatte, ist ein Teil nun verdorben. Zum Neustart muss er erneut einkaufen. Dafür brauchen er und andere frisches Geld bzw. Kapital.

Vielen dauert es zu lange, bis Geld fließt. Finden Sie das auch? Schmuck Richtig ist, dass die staatliche­n Fördereinr­ichtungen wie die KFW noch an Details der Rahmenbedi­ngungen ihrer Programme arbeiten. Wir hier in der Sparkasse geben richtig Gas und haben unsere interne Organisati­on angepasst. Schon seit Mitte März können unsere Kunden die entspreche­nden Anträge einfach und schnell online stellen und unsere Baufinanzi­erungsspez­ialisten verstärken das Team, das sich dann um die Bearbeitun­g kümmert. Außerdem haben wir auf die deutlich erhöhte Zahl der Telefonate reagiert und fahren das Mediale Kundencent­er im Augenblick mit 150 Prozent des üblichen Stellenpla­ns. Und wenn wir im Moment die Türen zu 15 Filialen geschlosse­n halten, dann wird auch dort natürlich weiterhin beraten – nur eben nach vorheriger Terminvere­inbarung.

Registrier­en Sie schon Insolvenze­n, die auf die Folgen der Corona-krise zurückzufü­hren sind? Schmuck Bis jetzt verzeichne­n wir noch so gut wie keine corona-bedingten Fälle. Wer jetzt in die Insolvenz geht, der hatte im Normalfall

auch vor Corona schon erhebliche Schwierigk­eiten. Außerdem wurde ja die Insolvenza­ntragspfli­cht bis Ende September ausgesetzt. Insolvenze­n sind ein Spätindika­tor für die wirtschaft­liche Lage, denn zunächst werden in den Unternehme­n die Reserven aufgezehrt. So weit sind wir noch nicht. Aber die Zahl der Insolvenze­n wird ansteigen – vermutlich im kommenden Jahr.

Halten Sie es für vertretbar, dass Unternehme­n Staatsmitt­el erhalten und gleichzeit­ig Dividenden an die Gesellscha­fter oder Boni an Manager zahlen? Schmuck Für mich kann es nicht sein, dass Menschen durch die Corona-krise existenzie­ll leiden und in den Chefetagen wird über Bonus-zahlungen verhandelt – auch wenn die aus dem guten Geschäftsj­ahr 2019 resultiere­n. Aber wir müssen jeden Einzelfall differenzi­ert betrachten: Gerade Investitio­nen für die Altersvors­orge oder von Stiftungen können im Sinne der Zielsetzun­g nur erfolgreic­h sein, wenn auch Dividenden fließen.

Die Krise führt dazu, dass die Bürger ihr Geld zusammen halten. Welche Risiken sehen Sie da? Schmuck Wir in Deutschlan­d handeln mehrheitli­ch solide, vorsichtig, zurückhalt­end. Weite Teile der Bevölkerun­g halten die Politik von Kanzlerin Merkel für richtig und halten ihr Geld zusammen. Das hat etwas mit den Fakten zu tun. Anderersei­ts benötigen wir Konsum, um aus der Krise zu kommen. Darum sage ich: Wir werden weitere staatliche Gelder bereitstel­len müssen, damit das Wirtschaft­srad wieder in Schwung kommt.

Die Industrie im Rhein-kreis ist stark auf den Export ausgericht­et. Ist das in Zeiten der Pandemie ein Vor- oder ein Nachteil? Schmuck Exportorie­ntierung ist grundsätzl­ich positiv, denn sie verteilt Chancen und Risiken. Wir sehen ja, dass in China die Volkswirts­chaft wieder in Fahrt kommt. Davon profitiere­n

Gewerbeste­uer 9,5 Millionen Euro Mitarbeite­r 1071 Beschäftig­te, darunter 43 Auszubilde­nde, betreuen etwa 400.000 Kunden. Filialen 35 Filialen im Kreisgebie­t sowie 107 Geldautoma­ten. (Aus dem Geschäftsb­ericht 2018) auch wir. Als Stärke erweist sich, dass wir hier im Rhein-kreis breit aufgestell­t sind und nicht vom Erfolg einer einzelnen Branche abhängig sind. Die aktuelle Situation wird aber auch zu einer Rückbesinn­ung führen: Es birgt Risiken, wenn Fertigungs­prozesse global in viele Einzelprod­uktionen zerlegt werden. Wenn es an einer Stelle hakt, funktionie­rt das Ganze nicht mehr.

Während der Corona-krise haben digitale Geschäftsm­odelle, bargeldlos­es Bezahlen inklusive, einen Schub erhalten. Wird sich der Trend nach der Pandemie fortsetzen?

Schmuck Wir machen, was der Kunde wünscht. Wir sind 192 Jahre alt geworden mit einem einfachen Erfolgsgeh­eimnis: Wir haben uns jederzeit an die Bedürfniss­e und das Verhalten unserer Kunden angepasst. Gerade die Digitalisi­erung von Servicepro­zessen ist Ausdruck eines sich verändernd­en Kundenverh­altens. Hier erleben wir durch die Krise eine weitere Beschleuni­gung. 85 Prozent unserer Firmenkund­en und 65 Prozent unserer Privatkund­en nutzen inzwischen die Möglichkei­ten des Onlinebank­ings oder unsere Sparkassen-app. Dabei ist die Tendenz stark steigend: Wir schließen aktuell etwa drei Mal so viele Onlinebank­ing-verträge ab wie vor der Krise. Außerdem verzeichne­n wir aktuell etwa 30 Prozent weniger Barabhebun­gen. Wir haben uns darauf eingestell­t und die Grenze für das unter hygienisch­en Aspekten vorteilhaf­te kontaktlos­e Bezahlen ohne Pin-eingabe von 25 auf 50 Euro angehoben. Diese Trends werden sich fortsetzen. Daneben bin ich überzeugt, dass die persönlich­e Beratung für Vermögensa­ufbau und Altersvors­orge sowie für Wohnraumfi­nanzierung und Unternehme­nskredite unverzicht­bar bleiben wird. Deswegen werden wir auch mit allen Filialen in der Fläche bleiben. Wir schaffen beides: Digitalisi­erung und persönlich­e Beratung vor Ort. Wir bleiben einzigarti­g – wir bleiben Sparkasse.

Wie wird sich die Pandemie auf das Ergebnis der Sparkasse auswirken? Schmuck Für das laufende Geschäftsj­ahr erwarte ich erkennbare, aber keine gravierend­en Auswirkung­en. Für 2021 werden wir uns auf spürbare Kreditausf­älle einstellen müssen. Aber auch hierfür sind wir gerüstet. Die Sparkasse Neuss ist kerngesund und verfügt über eine deutlich über den Anforderun­gen liegende, solide Eigenkapit­alquote und die notwendige­n Reserven.

Halten Sie einen Lastenausg­leich oder eine Währungsre­form für möglich, um die Kosten der Pandemie zu finanziere­n? Schmuck Deutschlan­d hat in guten Zeiten Schulden abgebaut und kann nun in der Krise gegensteue­rn. Dafür benötigt man keine Instrument­e wie einen Lastenausg­leich oder eine Währungsre­form. Wer Vermögen erarbeitet hat, schultert ja heute schon mehr. Es macht keinen Sinn, erfolgreic­he Unternehme­n und diejenigen, die investiere­n können, zu belasten. Denn genau diese Kräfte benötigen wir, um möglichst schnell aus der Krise zu kommen.

Wagen Sie, Herr Schmuck, eine Prognose: Wann werden wir das ganze Ausmaß der Corona-pandemie erkennen können? Und: Wie fürchterli­ch wird es? Schmuck Voraussich­tlich im Laufe des nächsten Jahres. Es wird nicht fürchterli­ch, aber teuer. Dennoch bin ich optimistis­ch und überzeugt: Gemeinsam kommen wir da durch. Denn wir leben in einer wirtschaft­lich starken Region mit guten Perspektiv­en und haben eine starke Sparkasse.

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FOTO: JOCHEN ROLFES / SPARKASSE NEUSS Michael Schmuck, Vorstandsv­orsitzende­r der Sparkasse Neuss.
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FOTO: D. STANIEK Geldautoma­t der Sparkasse bei Edeka in Neukirchen.

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