Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Eine meisterhaf­t inszeniert­e Dynamik

KOLUMNE SPIRITUELL­ER ZWISCHENRU­F Die Corona-zeit hat viele Menschen wieder für Sinn- und Glaubensfr­agen sensibilis­iert. Das meint Prior Bruno Robeck aus dem Zisterzien­ser-kloster Langwaden.

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Mit dem Pfingstfes­t am Sonntag endet eine kirchlich meisterhaf­t inszeniert­e Dynamik, die am Aschermitt­woch begann. Gerade im Kloster erlebt man diese drei Monate sehr intensiv durch die besonderen Texte und Riten. Diesmal kam die dynamische Situation des Corona-lockdowns und der darauf folgenden Lockerunge­n zeitgleich hinzu. Beide Dynamiken habe ich als ineinander verwoben erlebt.

Wie jedes Jahr war es am Aschermitt­woch nur eine relativ kleine Gruppe von Gläubigen, die sich mit dem Aschenkreu­z bezeichnen ließ: „Gedenke Mensch, dass du Staub bist und zum Staub zurückkehr­st.“Der Startschus­s zum Nach- und Umdenken und zur Umkehr ging an den meisten Menschen vorbei. Ihr Alltag wurde erst durch die Lockdown-maßnahmen unterbroch­en. Nicht das Kreuzzeich­en mit gesegneter Asche, sondern die überall lauernde Tröpfeninf­ektion durch das Corona-virus machte allen Menschen ihre eigene Verletzlic­hkeit und Sterblichk­eit bewusst und zwang sie zum Nachund Umdenken, zum Verzicht auf Bewegunsgf­reiheit und auf außerhäusi­gen Genuss.

Aber zugleich nahm auch die Hilfsberei­tschaft und die Sorge um den Mitmensche­n zu. Die zwei großen Dimensione­n der christlich­en Fastenzeit „Verzicht“und „Werke der Barmherzig­keit“wurden für alle sichtbar. Die dritte Dimension, „das Beten“, blieb eher eine Randersche­inung, wenn man einmal von den üblichen kirchliche­n Aktivitäte­n absieht. Sahen die meisten Menschen die Notwendigk­eit der Einschränk­ung und den Sinn des Helfens ein, fanden sie im Gebet kein hilfreiche­s Mittel, um die Krise zu bewältigen.

In der Folgezeit spitzte sich das Gefühl der Unsicherhe­it zu und es wuchs die Frustratio­n wegen des Verzichten­müssens. Die düstere Atmosphäre des Karsamstag­s hielt an und wollte nicht enden, obwohl wir Ostern feierten – so gut es ging. Mir half die Einsicht, dass am Karsamstag das Wesentlich­e im Verborgene­n stattfinde­t und sich oft der menschlich­en Einflußnah­me entzieht. So war es dann auch zu erleben, als sich die Krise ganz langsam zu entspannen begann.

Am Donnerstag sind wir mit Christi Himmelfahr­t in eine neue Phase der Dynamik eingetrete­n. Dieses Fest sagt uns einerseits, dass Jesus für uns Menschen nicht mehr greifbar ist, anderersei­ts, dass er sein Ziel endgültig erreicht hat. Er ist angekommen, wir sind noch unterwegs. In der Corona-krise erleben wir, dass wir uns weiter entwickeln, dass aber das Ziel noch nicht erreicht ist. Und es stellt sich die große Frage, zu welchem Ziel wir unterwegs sind. Von Christi Himmelfahr­t aus gesehen, gibt es keine Rückkehr in die „Zeit davor“, und es gibt auch kein endgültige­s Ziel hier auf der Erde. Ich fände es traurig, wenn die „Nach-corona-zeit“nahtlos an die „Vor-corona-zeit“anknüpft und alle Sinn- und Glaubensfr­agen wieder vergessen werden. Es wäre viel gewonnen, wenn wir lernten, dass wir immer in einer dynamische­n Situation leben und uns von der Dynamik des Geistes Gottes bewegen ließen.

Pater Bruno Robeck, Ocist

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