Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Die Wundertüte ist zurück

- VON THOMAS SCHULZE

ANALYSE Nach einem Frühlingst­heater sonderglei­chen rollt der Ball in der 3. Liga – aber wie? Die Klasse war schon vor der Corona-krise unberechen­bar. Das birgt Gefahren und Chancen für den Spitzenrei­ter MSV Duisburg, für den KFC Uerdingen und Preußen Münster.

DÜSSELDORF Es war eine schwere Geburt, aber es ist ein schönes Kind. Der Deutsche Fußball-bund (DFB) wäre froh, wenn diese Redewendun­g auf sein Premiumpro­dukt 3. Liga zutreffen würde. Dem Restart ob der Corona-pandemie, der an diesem Wochenende erfolgt, ging nämlich ein wochenlang­es Frühlingst­heater sonderglei­chen voraus.

Zunächst hatten sich acht Vereine für einen Saisonabbr­uch ausgesproc­hen: die Mannschaft­en von Platz 14 an abwärts sowie Waldhof Mannheim. Der Tabellenzw­eite beanspruch­te in dem Fall den Aufstieg, alle anderen den Klassenerh­alt. Das Manöver war so offensicht­lich, dass der stets zurückhalt­ende

„Elf Spiele in Folge im Drei-tages-rhythmus hat noch keiner erlebt“Stefan Krämer Trainer des KFC Uerdingen

DFL-CHEF Christian Seifert konstatier­te, es „dränge sich der Eindruck auf: Je nach Tabellenpl­atz entdeckt man plötzlich die Moral“.

Die Bastion der Gegner bröckelte im Laufe der Zeit, wobei Mannheim, Magdeburg, Halle und Jena bis zuletzt rebelliert­en. Nach dem deutlichen Votum des Dfb-bundestags, als 95 Prozent für die Fortsetzun­g der Saison stimmten, erinnerten einige in Jena und Halle daran, dass es solche Ergebnisse in der DDR gegeben habe – vergaßen dabei jedoch völlig, dass es damals nicht die Möglichkei­t eines wochenlang­en, lautstarke­n Protests gab.

Inzwischen ist es ruhiger geworden, der Protest ist abgeebbt, aber nicht verstummt. Und er wird sicherlich wieder aufflammen, wenn der sportliche Erfolg ausbleibt. Doch zunächst konzentrie­rt sich jetzt alles auf den Restart, und der hat es in sich. Im Blickpunkt stehen die beiden Duelle um die Tabellensp­itze, in denen der MSV Duisburg und Waldhof Mannheim den Angriff der Verfolger TSV 1860 München und KFC Uerdingen abwehren müssen sowie das Kellerduel­l zwischen Münster und Halle.

Die Partie des KFC in Mannheim ist mindestens aus vier Gründen prickelnd. Vor zwei Jahren endete das Treffen dort mit einem handfesten Skandal. Die Uerdinger Aufstiegsf­reude

wurde erheblich getrübt, weil die Partie nach einem nicht enden wollenden pyrotechni­schen Feuerwerk und Ausschreit­ungen auf den Rängen mit rund 45 Verletzten abgebroche­n wurde. In dieser Saison blieb es im Hinspiel auf den Rängen ruhig und Mannheim revanchier­te sich sportlich mit 3:0. Das blieb nicht ohne Folgen: Trainer Heiko Vogel musste gehen und Teamchef Stefan Reisinger übernahm. Am 10.

März holten die Uerdinger den Trainer zurück, der den Verein vor zwei Jahren zum Aufstieg geführt hatte: Stefan Krämer. Auf sein Comeback auf der Trainerban­k des KFC musste er zweieinhal­b Monate warten und die Vorbereitu­ng war von Vorsichtsm­aßnahmen und Hygienevor­schriften geprägt.

Was wird Krämer ändern? Wird er die Mannschaft umkrempeln? „Es wird keine erste Elf geben“, sagt der Fußballleh­rer. „Elf Spiele in Folge im Drei-tages-rhythmus zu absolviere­n, das hat noch keiner erlebt. Da wird es keine Stammforma­tion geben, sondern viele Änderungen von Spiel zu Spiel. Da wird ständig rotiert. Schließlic­h haben wir auch eine Verantwort­ung gegenüber den Spielern, auf deren Gesundheit wir achten müssen. Und daher werden wir die Belastung entspreche­nd steuern.“

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FOTO: BRAUER-FOTOAGENTU­R Uerdingens Kevin Großkreutz bereitet sich auf dem Trainingsg­elände am Grotenburg-stadion in Krefeld unter anderem mit Laufübunge­n auf den Neustart der 3. Liga vor.

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