Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Training, das im Kopf beginnt
Beim Neurozentrierten Training stehen unter anderem Grinsen und Beißen auf dem Plan. Was hat es damit auf sich?
NEUSS Nach Kreuzbandriss und Meniskusschaden war es erst mal vorbei mit ihrem Hobby – dem Fußballspielen. „Ich hatte regelrecht Angst davor zu springen“, erinnert sich Sara-sophie Kirschstein. Doch nach einem Workshop zum Neurozentrierten Training, an dem die Sportwissenschaftlerin teilgenommen hatte, waren nicht nur ihre Kniebeschwerden weg. „Ich konnte sogar wieder springen.“
Begeistert von den Möglichkeiten, die das Neurozentrierte Training bietet, absolvierte die 26-Jährige eine Ausbildung zur Neuro-athletik-trainerin. Seitdem bietet die Trainerin bei Savita – dem Rehabilitationsund Gesundheitszentrum der St.-augustinus-gruppe – nicht nur Reha-sport und Bewegungsanalysen an, sondern auch das Neurozentrierte
„Wenn man es ausprobiert, merkt man recht schnell den Effekt“
Denise Gaffke Patientin
Training. In Deutschland sei diese – in den USA bereits viel populärere –Therapieform noch relativ unbekannt, so Kirschstein. Training beginnt im Kopf – auf diesem Grundsatz basiert Neurozentriertes Training, da jede Bewegung initial im Gehirn startet. „Wenn dem Hirn aber zu wenig Reize geboten werden, beispielsweise durch eintöniges Sitzen am PC, schraubt der Körper Funktionen zurück“, so Kirschstein. Nacken- oder Rückenschmerzen, Verspannungen, eingeschränkte Beweglichkeit oder Gleichgewichtsstörungen können die Folge sein.
So wie bei Denise Gaffke. Die Kauffrau im Gesundheitswesen arbeitet selbst bei Savita an der Rezeption. „Wegen ständiger Nacken- und Kopfschmerzen bin ich seit etwa 20 Jahren regelmäßig in physiotherapeutischer Behandlung“, erzählt die Krefelderin. Doch so unmittelbare Besserung ihrer Beschwerden erfahre sie erst, seit sie das Neurozentrierte Training mache.
Dabei sei es ihr zunächst suspekt gewesen, gibt sie zu. Denn die Übungen sind ungewöhnlich. Nach Gang-analyse, Gleichgewichts-, Beweglichkeits-, Seh- und Kleinhirntests gibt Kirschstein sehr individuell angepasste Aufgaben. Da müssen „Achten“um Stühle gelaufen und währenddessen bestimmte Punkte fixiert werden. Einseitiges Grinsen oder Beißen kann genauso auf dem Therapieplan stehen wie Schnuppern an Ölen, Summ-übungen oder Buchstaben-vorlesen bis hin zu Dehnungen der Zunge.
„Es ist anfangs schon sehr irritierend“, sagt Gaffke. „Doch wenn man es ausprobiert, merkt man recht schnell den Effekt.“Deutliche Schmerzreduktion und mehr Beweglichkeit seien es bei ihr. „Es gibt kein vorgegebenes Trainingskonzept, sondern wir blicken sehr ganzheitlich auf die Patienten“, erklärt Sara-sophie Kirschstein. „Und dann versuchen wir, verschiedene Hirnnerven zu aktivieren und zu stimulieren.“Unterschiedlichste Schmerzen können so behandelt werden. „Neurozentriertes Training
verbessert auch die Beweglichkeit, sorgt für Gangsicherheit, hilft bei Sehproblemen und kann die Atmung verbessern“, sagt Kirschstein, die ihren Masterabschluss an der Uni Göttingen mit dem Schwerpunkt Reha und Prävention erworben hat. Körperlich anstrengend sei das Neurozentrierte Training nicht, sagt Denise Gaffke. „Ich muss mich nicht umziehen dafür, sondern kann direkt danach wieder an die Arbeit gehen.“Allerdings sei es für den Kopf recht anstrengend. „Das ist schon sehr faszinierend.“