Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Flüchtlings-eingliederung ist ein Marathon
1448 Geflüchtete leben in Dormagen. Die Erfahrungen mit den meisten sind positiv. Doch Integration braucht Zeit.
DORMAGEN Volker Lewerenz wählt einen Vergleich aus dem Sport, als er auf die Entwicklung der zurückliegenden fünf Jahre angesprochen wird. „Integration ist kein Sprint, sondern ein Marathon“, bilanziert der Integrationsbeauftragte und Leiter des Fachbereichs Integration bei der Stadt Dormagen mit Blick auf die Eingliederung der Flüchtlinge seit 2015. Damals sah sich die Stadt vor die Riesen-herausforderung gestellt, aufgrund der Zuweisungen des Landes binnen kurzer Zeit rund 740 Flüchtlinge unterzubringen. Und es kamen noch mehr. Stand 30.Juni dieses Jahres hatten nach Angaben der Stadt 1448 Menschen mit Fluchthintergrund ihr Zuhause in Dormagen. Davon wohnten 672 Personen in städtischen Unterkünften oder städtisch angemieteten Wohnungen.
Die Erstaufnahme hat laut Lewerenz nicht zuletzt dank einer „enormen Kraftanstrengung der Verwaltung und mit großem ehrenamtlichen Engagement“gut geklappt. „Aber um von einer erfolgreichen Integration reden zu können, müssen alle der hiermit zusammenhängenden Bereiche wie Sprache, Schule, Bildung, Ausbildung und Arbeit sowie die gesellschaftliche Teilhabe betrachtet werden“, sagt Lewerenz.
Der Experte sieht Dormagen für diese Aufgaben gut aufgestellt, doch Erfolge brauchen Zeit. Mit dem Fall-management sei ein Konzept entwickelt worden, mit dem der Integrationsprozess der neu angekommenen Menschen gut begleitet und unterstützt werden könne. Dabei wird ein ganzheitlicher Ansatz verfolgt. Heißt: Die Unterstützungsangebote werden aufgrund des individuellen Bedarfs des Flüchtlings über die verschiedenen Zuständigkeiten hinweg koordiniert, gesteuert und zugänglich gemacht.
Bestandteil des Integrationskonzeptes ist laut Lewerenz ein umfassender Katalog mit Unterstützungsleistungen. Dazu gehören zum Beispiel die Angebote in den Cafés Grenzenlos, Maßnahmen zur Sprachförderung, Maßnahmen zum „Ankommen“, Maßnahmen der „Frühen Hilfen“, Maßnahmen zur frühkindlichen Bildung und Maßnahmen der Jugendarbeit. Grundsätzlich geht es vor allem um Sprache, Schule und Bildung,
Volker Lewerenz Dormagens Integrationsbeauftragter
Ausbildung und Beruf sowie gesellschaftliche Teilhabe. Mit Hilfe des Fall-managements konnten Kontakte zum Jobcenter, zu Schulen, Kindergärten, Vereinen, Arbeitsstellen, Sprachkurse usw. beschleunigt und somit zeitnah die ersten Schritte für einen erfolgreichen Integrationsprozess getan werden.
Ein wichtiger Eckpfeiler der Integrationsarbeit in Dormagen waren und sind die Ehrenamtler. Mitte 2016 waren bei der Stadt 202 Menschen als ehrenamtliche Unterstützer registriert, aktuell sind es sogar 231 Männer und Frauen, die sich in den Cafés Grenzenlos, als Familienund Alltagshelfer, als Sprachmittler oder als Ansprechpartner in den einzelnen Unterkünften einbringen. „Durch die momentane Corona-pandemie
sind derzeit jedoch viele Ehrenamtler zeitlich weniger aktiv“, schränkt Lewerenz ein.
Den Flüchtlingen selbst bescheinigt der Integrationsbeauftragte eine ausgeprägte Bereitschaft, in Deutschland „anzukommen“. „Zum großen Teil waren die Erfahrungen sehr positiv. Viele der Flüchtlinge haben die ihnen angebotenen Hilfen dankbar angenommen und sehr engagiert mitgearbeitet. Sie bemühen sich, schnell die deutsche Sprache zu lernen und in Arbeit zu kommen“, hat Lewerenz beobachtet. Auch die Angebote der Kindertagesstätten und Schulen seien als Chance verstanden worden. Dass es auch Negativbeispiele gibt, verschweigt Lewerenz nicht. „Dies sind aber zum Glück eher Ausnahmen.“
Ein Problem in Dormagen ist die Integration der Geflüchteten in den Wohnungsmarkt. Ein Grund ist die angespannte Situation, weil Wohnungen fehlen. „Nicht gut ist ebenfalls, dass die Rückführung ins Heimatland von Asylbewerbern, deren Anerkennungsverfahren negativ entschieden wurde, sehr langwierig ist oder teilweise gar nicht umgesetzt werden kann“, kritisiert der Integrationsbeauftragte. Der Stufenplan von Nrw-integrationsminister Stamp habe ja vorgesehen, dass den Kommunen möglichst nur noch anerkannte Flüchtlinge oder Personen mit guter Bleibeperspektive zugewiesen werden sollten. Personen, die nach Prüfung in einem rechtsstaatlichen Verfahren nicht schutzberechtigt sind, sollten möglichst konsequent und schnell bereits aus den Landeseinrichtungen in ihre Heimatländer zurückgeführt werden. Lewerenz: „Eine spürbare Entlastung der Kommunen ist jedoch noch nicht eingetreten. Nach wie vor bekommt die Stadt Dormagen Personen zugeteilt, deren Asylverfahren noch nicht entschieden ist oder die im Rahmen des Dublin-verfahrens kurzfristig in ein anderes europäisches Land zurückgeführt werden müssen.“So seien Dormagen im Rahmen des Flüchtlingsaufnahmegesetzes in den vergangenen zwölf Monaten etwa 100 Geflüchtete neu zugewiesen worden.
„Viele Flüchtlinge haben die Hilfen dankbar angenommen und sehr engagiert mitgearbeitet“