Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Vision: Neuer Rhein-kanal nach Belgien
Eine Initiative in Xanten kritisiert die Pläne, von Dormagen aus eine Rheinwassertransportleitung zum Tagebau Garzweiler zu bauen. Stattdessen sollten Pläne verwirklicht werden, mit einem Kanal die Infrastruktur zu verbessern.
DORMAGEN Noch wäre Zeit, um eine politische Entscheidung für ein Projekt zu erlangen, das eine große infrastrukturelle Bedeutung für die gesamte Region haben könnte. So sieht es die Hochwasser- und Infrastrukturschutz-initiative am Niederrhein (HWS) mit Sitz in Xanten. Sie ist gegen die Pläne einer Rheinwassertransportleitung von Dormagen in die Tagebau-gebiete und fordert den Bau eines beschiffbaren Kanals, der letztlich eine Anbindung der Rheinhäfen an Antwerpen bedeuten würde. Einen entsprechenden Vorstoß hat HWS jetzt beim Bundesverkehrsministerium gemacht und ist auch bei RWE Power aktiv geworden.
„Die beabsichtigte Lösung von Rohrleitungen nach Garzweiler ist falsch“, sagt Initiativen-sprecher H.-peter Feldmann. „Die Lösung für die Braunkohleproblematik hat keine Auswirkungen auf die Infrastruktur. Aber gerade dafür gäbe es mit einem offenen Wasserweg eine Möglichkeit, die viele Chancen beinhaltet.“Die Initiative fordert als einen ersten Schritt eine Machbarkeitsstudie für ein solches Projekt. Wer sich die geographische Situation anschaut, sieht die Chancen: Bislang ist der Rhein die zentrale Verbindung zum Super-hafen Rotterdam. Über einen neuen Kanal ab Dormagen mit Zielrichtung Albertkanal in Belgien könnte zum einen mit Antwerpen ein weiterer Hafen plötzlich auf dem Wasserweg erreicht werden, ferner gäbe es weitere (Kanal-)anbindungen in Richtung Niederlande und Frankreich.
Aktuell geht es planerisch jedoch in eine andere Richtung: Demnach soll ab 2030 mit Wasser aus dem Rhein der so genannte Restsee des Braunkohlentagebaus Garzweiler in Grevenbroich aufgefüllt werden. RWE Power plant die 24 Kilometer lange unterirdische Rheinwasser-transportleitung von Dormagen über Rommerskirchen bis Grevenbroich-frimmersdorf. Für den Bau wurde ein 70 Meter breiter Trassenkorridor festgelegt, innerhalb dessen die Leitung, die aus zwei Röhren mit einem Durchmesser von jeweils 1,40 Meter besteht, angelegt wird. Gebaut werden soll die Leitung frühestens ab 2025. In einem Bogen soll die Leitung dann um Rheinfeld geführt herum werden, so dass sie nördlich des Walhover- und des Bendecker Hofs zur Kreuzung der Hagelkreuzstraße mit der B 9 führt. Zwischen Goldberger Hof und Nievenheim wird sie nördlich von Strabi und Straberg zwischen Broich und Gohr bis nach Rommerskirchen – zwischen Widdeshoven und Evinghoven – weiterlaufen.
Gerade mit der Breite der Trasse argumentierte die Initiative: „70 Meter breit – das ist auch die Dimension eines Kanals“, sagt Feldmann. Er weist auf die Besonderheit hin: „Auf dieser Trasse kann und wird nichts passieren.“In einem Schreiben an RWE Power-vorstand Frank Weigand weist die Initiative auf die grundsätzliche Bedeutung hin: „Wir begreifen das Ende der Braunkohleförderung nicht nur im Sinne des Umstiegs auf alternative Energien, sondern auch bezüglich der Neugestaltung freiwerdender Flächen als Chance, die strukturschwache Grenzregion Niederrhein infrastrukturell, auch und gerade im Sinne eines europäischen Dialogs mit unseren Nachbarn, neu zu gestalten.“Das umfangreiche Schreiben an das Bundesverkehrsministerium ist verbunden mit einem Dutzend Beschlussvorlagen, die der Bundestag treffen soll. Unter anderem: „Der Bundestag empfiehlt der Bundesregierung
das Wasserstraßenprojekt der Landesregierung NRW zum Anschluss an das westliche Wasserstraßennetz zu unterstützen.“
Für Feldmann steht fest: „Ein seit Generationen diskutierter offener Wasserweg zwischen dem Rhein und der Maas über die Tagebaue verbindet politische und strategische Ziele für eine ökonomische-ökologische Neuorientierung für diese Grenzregion. Diese Chance gibt es kein zweites Mal in NRW.“