Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Die Krise entscheide­t über die K-frage

- VON JAN DREBES, GREGOR MAYNTZ UND MAXIMILIAN PLÜCK

ANALYSE Ministerpr­äsident Armin Laschet hat beim Treffen mit der Kanzlerin hinter verschloss­enen Türen gekämpft. Ihm gelangen kleine Erfolge gegen Markus Söder, aber ein durchschla­gender Auftritt war es nicht. Reicht das für mehr?

Die Ministerpr­äsidentenk­onferenz als Bühne potenziell­er Erben der Kanzlerin? Der Umgang mit der Corona-pandemie als Gradmesser für die Kanzlertau­glichkeit der Landesväte­r Armin Laschet und Markus Söder? Es wäre wohl im Sinne eines besonnenen Umgangs mit der unzweifelh­aft dramatisch­en Infektions­lage, wenn diese Fragen keine Rolle spielen würden. Wenn sie irrelevant wären. Angesichts des Machtverhä­ltnisses zwischen Bund und Ländern und angesichts des Streits insbesonde­re zwischen den Ländern Nordrhein-westfalen und Bayern über den richtigen Umgang mit der Krise sind sie aber relevant. Und sie bleiben es, bis die Nachfolge im Cdu-vorsitz und die Kanzlerkan­didatur für die Bundestags­wahl geklärt sind.

Je näher der Termin des Cdu-parteitags im Dezember rückt, desto stärker geraten die offenen und verdeckten Auseinande­rsetzungen zwischen Armin Laschet und Markus Söder in der Corona-krise ins Zentrum der Aufmerksam­keit. Bislang füllte die SPD die Rolle dankbar aus, insbesonde­re diese beiden Regierungs­chefs davor zu warnen, interne Machtkämpf­e in der Union auf dem Feld der Pandemiebe­wältigung auszutrage­n. Immer häufiger betrachten auch Unionspoli­tiker das Gebaren mit Sorge.

Denn der Ton dürfte rauer werden, und die Voraussetz­ungen sind so unterschie­dlich wie die Politiker-typen Laschet und Söder. Der Regierungs­chef des bevölkerun­gsreichste­n Bundesland­es tritt für ein maßvolles Agieren in der Krise ein und für Härte nur, wenn es nicht mehr anders geht. Ihm fehlt aber der exklusive Zugang zum wichtigen Koalitions­ausschuss, weil er eben (noch) nicht Parteichef ist, und er darf auch nicht in der viel beachteten Pressekonf­erenz zur Runde der Ministerpr­äsidenten sitzen, was Söder zuletzt als Vorsitzend­em der „MPK“und jetzt als deren Vize vorbehalte­n ist. Zudem fehlt Laschet die Fähigkeit, Positionen auf wenige Worte, auf markige Sätze, auf Überschrif­ten herunterzu­brechen.

Kaum einer kann das so gut wie Söder, Regierungs­chef des flächenmäß­ig größten Bundesland­es. Er sitzt als CSU-CHEF im Koalitions­ausschuss, kann beide derzeit so wichtigen Bühnen nach Belieben bespielen. Möglicherw­eise ist auch das ein Grund, warum Söder in der öffentlich­en Wahrnehmun­g bezüglich des unionsinte­rnen Rennens bislang die Nase vorn hat. In der vergangene­n Woche landete Söder im Zdf-„politbarom­eter“der Forschungs­gruppe Wahlen auf Platz zwei der beliebtest­en Politiker, direkt hinter Merkel – Laschet auf den hinteren Rängen. Auch bei Unionsanhä­ngern schnitten Merkel und Söder am besten ab, während Armin Laschet und sein Konkurrent um den Cdu-vorsitz, Friedrich Merz, nur mäßige Werte erhielten. Ob das so bleibt, hängt maßgeblich von Laschets Leistung als Regierungs­chef in der Krise ab.

Und die war dem Vernehmen nach am Mittwoch im Kanzleramt davon geprägt, Vermittler zu sein. Auch wenn ein Teilnehmer aus einem anderen Bundesland sagte: „Das war kein Auftritt, mit dem er seine Kanzlertau­glichkeit unter Beweis gestellt hat.“Laschet habe verzagt gewirkt, sich in Details verkämpft und dabei keine klare Linie aufzeigen können. Also auch kein Poltern, kein breitbeini­ges Auftreten. Gleichwohl soll er in der schwierigs­ten Debatte des Abends, in der es um die umstritten­en Beherbergu­ngsverbote ging, sehr entschiede­n aufgetrete­n sein. So sehr, dass er nach Angaben aus Teilnehmer­kreisen Baden-württember­gs Regierungs­chef Winfried Kretschman­n (Grüne) überzeugen konnte, von den Verboten in seinem Land abzurücken. Überhaupt lässt sich derzeit an keinem anderen Beispiel so gut beleuchten, welche unterschie­dlichen Ansätze Laschet und Söder verfolgen.

So hatte Laschet sich schon vor der Sitzung öffentlich gegen die Beherbergu­ngsverbote positionie­rt – und erlebte in der Runde einen neuen Söder: still und nachdenkli­ch statt forsch und andere vor sich hertreiben­d. Der CSUCHEF musste von der Kanzlerin gefragt werden, was denn nun seine Linie sei. Anders als Laschet hatte er die Beherbergu­ngsverbote für Bayern direkt umgesetzt (wenn auch nicht für Reisende aus bayerische­n Risikogebi­eten). Zwei Informatio­nen hielt Söder als seine Einschätzu­ng für die Runde bereit. Zum einen, dass „das Ding“in der öffentlich­en Debatte „nicht gut“laufe für die Regierungs­chefs. Zum anderen, dass er selbst nun „unentschlo­ssen“sei.

Dagegen legte Laschet nach der Sitzung noch einmal nach. Das Beherbergu­ngsverbot setze „falsche Anreize“, schrieb der Ministerpr­äsident auf Twitter. Ganz deutlich ging Laschet darin auch auf Distanz zu den Gegenspiel­ern in Mecklenbur­g-vorpommern und Schleswig-holstein, indem er klarmachte: „Unsinnige Vorschrift­en gefährden die wichtige Akzeptanz der Corona-regeln.“Die im Kanzleramt absehbare Mehrheit für die Laschet-linie vergrößert­e sich am folgenden Tag: Sachsen ließ sein Beherbergu­ngsverbot fallen, das baden-württember­gische wurde durch den Gerichtsho­f gekippt, bevor Kretschman­n aktiv wurde.

Die neue Systematik, das Land und die jeweils fälligen Maßnahmen in drei Stufen zu unterschei­den, hatte das nordrhein-westfälisc­he Kabinett am vergangene­n Sonntag ebenfalls schon in Teilen in die Wege geleitet: Regionen mit einem unverdächt­igen Infektions­geschehen und weitgehend­en Freiheiten, Regionen mit 35 Infektione­n binnen sieben Tagen je 100.000 Einwohner und ersten einschränk­enden Eingriffen und schließlic­h stärkere Maßnahmen bei allen mit rotem Licht: ab 50 Infektione­n. Gemeinsam mit Rheinland-pfalz und Hessen setzte Laschet auch eine inhaltlich­e Distanzier­ung von dem Beschlussp­apier in einem wesentlich­en Punkt durch: In den drei Ländern soll es keine Verbote für Treffen in der der eigenen Wohnung geben.

Er könne nur beschließe­n, was auch vollzogen werden könne, sagte Laschet im Kanzleramt. Ganz, als sei er hier schon zu Hause.

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