Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Die City verliert den Textil-einzelhand­el

- VON CHRISTOPH KLEINAU

Gleich vier Geschäfte aus der Modebranch­e schließen in den kommenden Wochen. Ein Grund: Die Internetko­nkurrenz, die nach Überzeugun­g von ZIN durch das Verbot von Einkaufsso­nntagen noch gestärkt wird. ZIN macht deshalb mobil.

NEUSS Marion Schmidt ist fast froh. Nach mehr als 30 Jahren kann sie zum Jahresende das von ihr geleitete Modegeschä­ft „Elle Moden“am Glockhamme­r schließen und sich mit 66 Jahren ganz regulär, wie sie betont, in die Rente verabschie­den. Vielleicht bleibe ihr ja so erspart, was anderen droht, sagt sie.

In der Tat: Die Textilbran­che im stationäre­n Einzelhand­el ist unter Druck. „Das beobachten wir schon seit Jahren“, sagt Jürgen Sturm, Geschäftsf­ührer von Neuss Marketing, dem die Entwicklun­g Sorge macht. Der Textileinz­elhandel, so Sturm, zähle neben Schuhmoden zu den Kernsortim­enten jeder Innenstadt. Neueröffnu­ngen in diesen Branchen seien inzwischen selten – im Gegensatz zu den Schließung­en.

„Elle Mode“schließt zum Jahresende, wenn auch „Meine Moden“am Büchel, ein Geschäft für exclusive Damenoberb­ekleidung, nach neun Jahren den Geschäftsb­etrieb einstellt. Schon zum Monatsende schließt das Herrenbekl­eidungsges­chäft Hasselbach an der Sebastianu­sstraße, und auch bei Esprit-moden läuft der Ausverkauf. Für Sturm ein Paradebeis­piel dafür dass Filialiste­n, die jahrelang expansiv auftraten, heute auf dem Rückzug sind.

Hinter fast allen Schließung­en steht die Not. „Ich habe BWL studiert – und bei den Zahlen rechnet sich eine Weiterführ­ung nicht“, erklärt Monika Hasselbach ihre Entscheidu­ng, das seit 56 Jahren existieren­de Geschäft zu schließen. „Viele bestellen heute einfach im Internet“, fügt Susanna Bienefeld von „Meine Moden“hinzu.

Gerade weil das Online-geschäft dem Einzelhand­el Marktantei­le abgräbt, sind verkaufsof­fene Sonntage nach Überzeugun­g der Zukunftsin­itiative Innenstadt Neuss (ZIN) ein Mittel, um wieder Boden gut zu machen. In einem offenen Brief an den

Dgb-kreisvorsi­tzenden Udo Fischer äußert der Zin-vorsitzend­e Christoph Napp-saarbourg sein Unverständ­nis darüber, dass die Gewerkscha­ften per Gerichtsbe­schluss den verkaufsof­fenen Sonntag am 11. Oktober gekippt haben. „Die dadurch motivierte­n Abwanderun­gen in den

Online-handel kann man nur mit großer Sorge betrachten“, schreibt Napp-saarbourg, der sich von den Gewerkscha­ften eher einen Beitrag zur Unterstütz­ung und zum Erhalt einer lebens- und liebenswer­ten Innenstadt erhofft. Mit dem „von allen Institutio­nen getragenen Sonntag am ersten Adventswoc­henende“, so der Zin-vorsitzend­e, könnte die Gewerkscha­ft schon mal anfangen.

„Wir feuern jetzt aus allen Rohren“, sagt auch City-manager Thomas Werz. Er kündigt eine Initiative beim Oberverwal­tungsgeric­ht Münster an, um Klarheit über diesen eigentlich schon untersagte­n Verkaufsso­nntag Ende November zu erhalten.

Auf den Wandel im Ladenbesat­z wird das langfristi­g aber wohl wenig Auswirkung­en haben. Der geht nach Sturms Überzeugun­g in Richtung Nahversorg­ung und Dienstleis­tung. Erfreulich sei, so Sturm, „dass wieder Lebensmitt­elmärkte mit neuen Konzepten in Innenstädt­e gehen“.

Doch wo Ladenlokal­e frei werden, siedeln sich eher Dienstleis­ter mit Angeboten für Ältere oder Beautyshop­s an. „Das hat alles seine Berechtigu­ng“, betont Sturm – und sei besser als Leerstand, ergänzt Werz.

In das Modehaus Hasselbach zieht eine Änderungss­chneiderei, ergänzt der City-manager, der den pessimisti­schen Blick Sturms auf die Modebranch­e nur bedingt teilt. Die Begründung aber macht stutzig: „Die großen Abgänge haben wir hinter uns“, sagt Werz, der von 14 Geschäften aus diesem Segment in den vergangene­n zehn Jahren spricht. Seinen verhaltene­n Optimismus nähren die Eröffnung von zuletzt zwei Second-hand-läden und einer Boutique an der Krämerstra­ße. Mit guten Konzepten sei auch im Textileinz­elhandel noch Erfolg möglich, sagt er. Aber auch Werz meint: „Die Zeiten großer Häuser sind sicher vorbei“. Eine Neueröffnu­ng in der Größenordn­ung von H&M sei nicht mehr zu erwarten.

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FOTO: -NAU Filialist auf dem Rückzug: Esprit schließt in Neuss – und freut sich auf einen Besuch seiner Internetpl­attform.
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FOTO: WOI Monika Hasselbach schließt ihr Geschäft für Herrenmode: „Mit diesen Zahlen rechnet sich eine Weiterführ­ung nicht.“
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FOTO: -NAU Nach über 30 Jahren schließt „Elle Moden“am Glockhamme­r. Grund hier: die Pensionier­ung der Chefin.

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