Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Die City verliert den Textil-einzelhandel
Gleich vier Geschäfte aus der Modebranche schließen in den kommenden Wochen. Ein Grund: Die Internetkonkurrenz, die nach Überzeugung von ZIN durch das Verbot von Einkaufssonntagen noch gestärkt wird. ZIN macht deshalb mobil.
NEUSS Marion Schmidt ist fast froh. Nach mehr als 30 Jahren kann sie zum Jahresende das von ihr geleitete Modegeschäft „Elle Moden“am Glockhammer schließen und sich mit 66 Jahren ganz regulär, wie sie betont, in die Rente verabschieden. Vielleicht bleibe ihr ja so erspart, was anderen droht, sagt sie.
In der Tat: Die Textilbranche im stationären Einzelhandel ist unter Druck. „Das beobachten wir schon seit Jahren“, sagt Jürgen Sturm, Geschäftsführer von Neuss Marketing, dem die Entwicklung Sorge macht. Der Textileinzelhandel, so Sturm, zähle neben Schuhmoden zu den Kernsortimenten jeder Innenstadt. Neueröffnungen in diesen Branchen seien inzwischen selten – im Gegensatz zu den Schließungen.
„Elle Mode“schließt zum Jahresende, wenn auch „Meine Moden“am Büchel, ein Geschäft für exclusive Damenoberbekleidung, nach neun Jahren den Geschäftsbetrieb einstellt. Schon zum Monatsende schließt das Herrenbekleidungsgeschäft Hasselbach an der Sebastianusstraße, und auch bei Esprit-moden läuft der Ausverkauf. Für Sturm ein Paradebeispiel dafür dass Filialisten, die jahrelang expansiv auftraten, heute auf dem Rückzug sind.
Hinter fast allen Schließungen steht die Not. „Ich habe BWL studiert – und bei den Zahlen rechnet sich eine Weiterführung nicht“, erklärt Monika Hasselbach ihre Entscheidung, das seit 56 Jahren existierende Geschäft zu schließen. „Viele bestellen heute einfach im Internet“, fügt Susanna Bienefeld von „Meine Moden“hinzu.
Gerade weil das Online-geschäft dem Einzelhandel Marktanteile abgräbt, sind verkaufsoffene Sonntage nach Überzeugung der Zukunftsinitiative Innenstadt Neuss (ZIN) ein Mittel, um wieder Boden gut zu machen. In einem offenen Brief an den
Dgb-kreisvorsitzenden Udo Fischer äußert der Zin-vorsitzende Christoph Napp-saarbourg sein Unverständnis darüber, dass die Gewerkschaften per Gerichtsbeschluss den verkaufsoffenen Sonntag am 11. Oktober gekippt haben. „Die dadurch motivierten Abwanderungen in den
Online-handel kann man nur mit großer Sorge betrachten“, schreibt Napp-saarbourg, der sich von den Gewerkschaften eher einen Beitrag zur Unterstützung und zum Erhalt einer lebens- und liebenswerten Innenstadt erhofft. Mit dem „von allen Institutionen getragenen Sonntag am ersten Adventswochenende“, so der Zin-vorsitzende, könnte die Gewerkschaft schon mal anfangen.
„Wir feuern jetzt aus allen Rohren“, sagt auch City-manager Thomas Werz. Er kündigt eine Initiative beim Oberverwaltungsgericht Münster an, um Klarheit über diesen eigentlich schon untersagten Verkaufssonntag Ende November zu erhalten.
Auf den Wandel im Ladenbesatz wird das langfristig aber wohl wenig Auswirkungen haben. Der geht nach Sturms Überzeugung in Richtung Nahversorgung und Dienstleistung. Erfreulich sei, so Sturm, „dass wieder Lebensmittelmärkte mit neuen Konzepten in Innenstädte gehen“.
Doch wo Ladenlokale frei werden, siedeln sich eher Dienstleister mit Angeboten für Ältere oder Beautyshops an. „Das hat alles seine Berechtigung“, betont Sturm – und sei besser als Leerstand, ergänzt Werz.
In das Modehaus Hasselbach zieht eine Änderungsschneiderei, ergänzt der City-manager, der den pessimistischen Blick Sturms auf die Modebranche nur bedingt teilt. Die Begründung aber macht stutzig: „Die großen Abgänge haben wir hinter uns“, sagt Werz, der von 14 Geschäften aus diesem Segment in den vergangenen zehn Jahren spricht. Seinen verhaltenen Optimismus nähren die Eröffnung von zuletzt zwei Second-hand-läden und einer Boutique an der Krämerstraße. Mit guten Konzepten sei auch im Textileinzelhandel noch Erfolg möglich, sagt er. Aber auch Werz meint: „Die Zeiten großer Häuser sind sicher vorbei“. Eine Neueröffnung in der Größenordnung von H&M sei nicht mehr zu erwarten.