Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Eine Arzt-praxis in Quarantäne

- VON BÄRBEL BROER

Ärzte und medizinisc­hes Personal tragen in Zeiten der Corona-pandemie ein besonderes Risiko. In Neuss musste jetzt der Internist Hardy Stern mit seiner Praxis in Quarantäne gehen, da eine Mitarbeite­rin positiv getestet wurde.

NEUSS Wer in dieser Woche einen Termin bei Hardy Stern, Internist in Neuss, hatte, stand vor verschloss­enen Türen. Ein Schild am Eingang in der Niederwall­straße weist darauf hin, dass die Praxis geschlosse­n werden musste, da eine Mitarbeite­rin Corona-positiv getestet worden war. „Am Dienstagmo­rgen haben wir das Ergebnis des Abstrichs erfahren“, sagte Stern. „Und sofort haben wir die Praxis geschlosse­n.“

Jetzt sind Hardy Stern und seine Frau Hirene, die ebenfalls Allgemeinm­edizinerin ist, zu Hause in Quarantäne – ebenso die sieben Mitarbeite­r. Als der Positiv-befund der Mitarbeite­rin bekannt geworden war, sei alles ganz schnell gegangen, berichtet Stern. Zwei Patienten, die zur Blutabnahm­e bereits frühmorgen­s da waren, wurden sofort nach Hause geschickt. „Dann haben wir ein Schild angebracht und dichtgemac­ht.“

Bevor jeder nach Hause gegangen sei, „haben wir noch schnell voneinande­r Tests gemacht“, so Stern. Die Abstriche hat er noch selbst in ein Speziallab­or nach Düsseldorf gebracht. Das Ergebnis: Alle Tests sind negativ und „alle sind gesund“, so Stern.

Am Freitag werden alle erneut getestet. „Auch wenn diese Ergebnisse negativ sein sollten, bleibt unsere Praxis insgesamt mindestens eine Woche, eventuell auch bis zu zehn Tage lang, geschlosse­n“, sagt der Hausarzt. Was ihn besonders ärgert: „Mir ist peinlich, dass ich meine Patienten nicht mehr rechtzeiti­g informiere­n konnte.“Denn am Dienstagmo­rgen habe alles so schnell gehen müssen, dass nicht mal die Zeit war, allen Patienten, die dieser Tage Termine hatten, abzusagen. „Und zu

Hause habe ich die Patientend­aten natürlich nicht.“Besonders hart treffe es jene Patienten, denen eine Operation bevorstehe. „Wer noch eine Blutabnahm­e oder ein EKG benötigt für die OP, steht trotz Termin vor verschloss­ener Praxis. Das ist mir sehr unangenehm“, sagt Stern. Die erzwungene Freizeit nutze er jetzt für Verwaltung­sarbeit. Stern: „Man fühlt sich insgesamt sehr ohnmächtig und unzufriede­n mit dieser plötzliche­n Situation.“

Gerhard Steiner, niedergela­ssener Allgemeinm­ediziner und Vorsitzend­er der Kreisstell­e Neuss der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g Nordrhein (KV ), kann das gut nachvollzi­ehen. Das Risiko, das die niedergela­ssenen Ärzte – insbesonde­re die

Hausärzte – in der Corona-pandemie zu tragen haben, „ist ein völlig ignorierte­s Problem“, so Steiner. „Für Beschäftig­te in Schulen und in der Kindertage­sbetreuung gab es die Möglichkei­t, sich alle 14 Tage kostenlos testen zu lassen. Für Arztpraxen und Krankenhäu­ser gibt es das jedoch nicht“, kritisiert er. „Wir zahlen die Tests selbst, und wenn jemand positiv getestet wird, tragen wir zudem das wirtschaft­liche Risiko, die Praxis schließen zu müssen.“Im öffentlich­en Bewusstsei­n sei viel zu wenig angekommen, „wie immens die Arbeitsbel­astung und wie groß die Verantwort­ung der niedergela­ssenen Ärzte seit der Corona-pandemie ist“. Mediziner Steiner erinnert sich, dass eine Kollegin aus Neuss bereits zu Beginn der Pandemie im März für zwei Wochen ihre Praxis schließen musste. „Das sind heftige finanziell­e Einbußen. Denn jede Praxis muss einen Mindestums­atz erzielen. Doch in der Öffentlich­keit wird das viel zu wenig thematisie­rt.“

Die Hausärzte seien über Monate sehr alleine gelassen worden. So habe es anfangs nicht ausreichen­d Schutzmate­rial gegeben, sagte Steiner. Und das Risiko, wegen Corona die Praxis schließen zu müssen, tragen die Ärzte nach wie vor allein. Steiner hofft, dass sich das Problem nicht verschärft: „Es wäre eine Katastroph­e, wenn wegen Corona-infektione­n viele Praxen schließen müssten.“

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FOTO: WOI Ein Aushang weist auf die vorübergeh­ende Schließung der Praxis hin.

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