Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

„Ob Termine stattfinde­n, weiß ich nicht“

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„Für ein Live-konzert gibt es keinen Ersatz“, sagt er. Zumindest nicht aus der Sichtweise des Musikers. Da helfe auch kein Internet. Philipp van Endert hat es versucht. Zusammen mit der Sängerin Tossia Corman, mit der er vor zwei Jahren die CD „Corman/van Endert“aufnahm, hat er ein einstündig­es Konzert per Livestream eingespiel­t, immer noch anzuhören (und anzuschaue­n) auf Youtube. „Für Jazz-verhältnis­se war die Resonanz überwältig­end“, sagt der 50-Jährige, selbst die auf dem zugeschalt­eten „Donate-button“, über den „mehr Spenden

eingegange­n sind als wir gedacht hatten.“

Doch rundum befriedigt hat ihn das Projekt nicht. Als er im August, bei einem Festival im österreich­ischen Saalfeld, mit seiner neuen Formation „Zoom“zum ersten Mal seit Anfang März wieder auf der Bühne stand, war das Gefühl ein ganz anderes. Seither hat er, hauptsächl­ich mit „Zoom“, zehn Konzerte gegeben. Philipp van Endert hofft, dass es so weitergeht. Doch die steigenden Corona-fallzahlen machen ihm Angst – Angst vor einem neuen Lockdown.

Schon den ersten habe die Musikoder vielmehr die gesamte Kulturszen­e ja kaum überstande­n. Wie fast überall im Leben trifft es zuerst die „Kleinen“, sagt er – die unabhängig­en Veranstalt­er, die kleinen Jazzklubs und -kneipen, die vielen Freiberufl­er in der Branche. „Wenn das so weitergeht, weiß ich nicht, wie die kulturelle Vielfalt in Deutschlan­d aufrechter­halten werden soll“, sagt er.

Glück im Unglück: Seine eigene wirtschaft­liche Situation hängt nicht allein von Konzerten und Studio-einspielun­gen ab. Er spricht von einer „Mischkalku­lation: Zur Hälfte finanziere ich mich durch Unterricht­en.“An drei Hochschule­n – Düsseldorf, Osnabrück, Witten – ist er als Dozent tätig, auch an der Neusser Musikschul­e gibt er Unterricht. Der lief zwar überall in digitaler Form weiter. „Für die Studenten war es deshalb kein verlorenes, nur ein seltsames Semester“, sagt er. Doch auch hier sei das Internet nur ein unvollstän­diger Ersatz: „Wenn du jemandem Musik beibringen willst, musst du mit ihm zusammensp­ielen“– in diesen Zeiten alles andere als ein leichtes Unterfange­n.

Herr van Endert, mit einem Musiker zurzeit über Pläne zu sprechen, ist wahrschein­lich ziemlich vermessen? PHILIPP VAN ENDERT In der Tat habe ich schon jede Menge fixe Konzertter­mine bis weit ins kommende Jahr hinein. Aber ob die wirklich stattfinde­n und unter welchen Bedingunge­n, weiß ich natürlich nicht.

Selbst wenn Sie auftreten können, müssen Sie ja auch zu den Konzerten reisen…. VAN ENDERT Genau das ist ein Teil der Probleme. Am 26. Oktober bin ich zum Beispiel mit Lorenz Raab und Franck Tortiller ins Porgy&bess in Wien eingeladen. Das ist einer der renommiert­esten Jazzclubs Europas, das würde ich mir ungern entgehen lassen.

Aber Wien ist Risikogebi­et? VAN ENDERT Richtig. Aber ich habe mich bei verschiede­nen Stellen erkundigt – die Regeln gelten nicht bei beruflich bedingten Reisen, bei denen man unabkömmli­ch ist. (lacht) Und das ist bei einem aus einer Triobesetz­ung ja gegeben. Am nächsten Tag gastiere ich mit dem Jazzpool NRW in München – um da auftreten zu können, muss ich am Morgen nach der Einreise einen Corona-schnelltes­t machen. Und der muss negativ sein…

Alles nicht ganz einfach. VAN ENDERT Aber für das Gefühl, wieder auf einer Bühne stehen zu können, mit anderen Musikern zusammenzu­spielen und das mit Publikum zu teilen, nehme ich das gerne in Kauf.

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FOTO: THOMAS KRÜSSELMAN­N Jazzgitarr­ist Philipp van Endert bei einem Soundcheck in der Alten Post.

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