Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Berchtesgadener Land im Lockdown
Die Menschen stehen dennoch weiter hinter Ministerpräsident Markus Söder.
MÜNCHEN Im Landkreis Berchtesgadener Land ließe sich derzeit ein goldener Herbst genießen. Doch wer sich als Tourist in der Region aufhält, muss abreisen. Es herrscht wegen der drastischen Corona-ausbreitung ein faktischer Lockdown – erstmals wieder seit dem 16. März. Der örtliche Tourismusverband schätzt die Zahl der Gäste, die in der Gegend teils die Herbstferien verbringen wollten, auf knapp 2500. Am Montagabend hatte die Sieben-tage-inzidenz nach Angaben der bayerischen Agrarministerin Michaela Kaniber (CSU) bei 272,8 gelegen. Die Zahl der Corona-infektionen ging durch die Decke und war mehr als fünf Mal so hoch wie bei der höchsten Warnstufe und der Ausrufung zum Risikogebiet (ab 50 Neuinfektionen innerhalb von sieben Tagen pro 100.000 Einwohner).
Nun geht in dem Landkreis nicht mehr viel: Restaurants und Hotels sind zu, Schulen und Kitas geschlossen, es gibt nur eine Kinder-notbetreuung. Außer Gottesdiensten sind keine Veranstaltungen erlaubt, Theater, Bibliotheken und Bordelle stellen neben vielen anderen Einrichtungen den Betrieb ein. In größeren Orten gilt die Maskenpflicht auch im Freien. Geöffnet haben weiterhin Lebensmittelläden und Apotheken.
Der Landrat Bernhard Kern (CSU) spricht von einem „diffusen Infektionsgeschehen im gesamten Landkreis“, das unterbunden werden müsse. Er appelliert an die Bürger, sich an die Vorgaben zu halten: Es gilt eine Ausgangssperre für die Bevölkerung, außer bei „triftigen Gründen“wie etwa der Weg zur Arbeit oder zum Einkaufen von Lebensmitteln. Sport ist draußen nur allein erlaubt. Bei Verstößen drohen Geldbußen von bis zu 25.000 Euro.
Der Lockdown dauert vorerst bis einschließlich 2. November.
Wie konnte es in dem Landkreis zu dem extremen Anstieg kommen? Durchgängig erklären lässt sich das nicht. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) spricht davon, dass die „Nähe zu Österreich sehr stark“sei. An die Nachbarn richtet sich jetzt der Appell des Landrats, den Landkreis derzeit nicht zu besuchen. Söder nennt eine weitere mögliche Ursache: „Ausgangspunkt war auch wieder eine entsprechende Party.“Um was es sich dabei konkret handelt, ist nicht bekannt.
Trotz des rigorosen Anti-corona-kurses von Söder hat Bayern bundesweit die meisten Infektionen, jedoch dicht gefolgt von NRW und Baden-württemberg. In 57 der 96 bayerischen Städte und Landkreise liegt der Inzidenzwert derzeit über 35, in 29 gar über 50. Als eine Ursache wird erneut auf die langen Außengrenzen verwiesen zu Österreich und Tschechien. Söders Kurs und die Entwicklung haben seinem Ansehen bislang nicht geschadet: Die große Mehrzahl der Bayern unterstützt seine Politik weiterhin, wenngleich die Zustimmung etwas abgenommen hat.