Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Bundestag will Auflagen selbst regeln
Größere Transparenz der Beratungen soll für eine höhere Akzeptanz sorgen.
BERLIN (may-) Sieben Monate nach dem parlamentarischen Okay zum Regeln der Corona-auflagen durch die Regierungen hat sich quer durch alle Fraktionen der Wunsch durchgesetzt, die oftmals tiefgreifenden Eingriffe in die Grundrechte der Menschen doch nicht länger allein den Regierungen zu überlassen. In einem Brief an die Fraktionschefs unterstrich Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU), dass der Bundestag „seine Rolle als Gesetzgeber und öffentliches Forum deutlich machen muss, um den Eindruck zu vermeiden, Pandemiebekämpfung sei ausschließlich Sache von Exekutive und Judikative“. Doch wie genau soll das funktionieren?
Der Versuch von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, seine Sonderrechte in der Pandemie nun im Schnelldurchgang zu „verstetigen“, war bereits mit der Ergänzung verbunden, dass der Bundestag künftig jede Rechtsverordnung auch wieder kassieren können sollte.
Darüber hinaus haben SPD und Oppositionsparteien weitere Bedenken angemeldet. „Wir müssen die Generalklausel präziser fassen und konkrete Bedingungen nennen, wann Standardmaßnahmen wie die Maskenpflicht oder Sperrstunden angeordnet werden können“, halten etwa die Gesundheitsund Rechtsexperten der SPD, Sabine Dittmar und Johannes Fechner, fest. Dahinter steht der auch von anderen Fraktionen geteilte Gedanke, den Flickenteppich unterschiedlicher Vorschriften in den einzelnen Bundesländern dadurch zu vermeiden, dass der Bundestag den Handlungsspielraum
verkleinert und deutlicher vorgibt, wann wer unter welchen Bedingungen was vorschreiben darf.
Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages schlägt vor, immer dann eine Standardisierung einzubauen, wenn in sensible Grundrechte intensiv eingegriffen werden soll: „Dies würde beispielsweise die Ausgangssperre und das allgemeine Kontaktverbot beinhalten.“
Für den Afd-abgeordneten Stephan Brandner ergibt sich die Notwendigkeit, sämtliche Maßnahmen strikt zu befristen. Ab einer gewissen Schwelle grundrechtsrelevanter Vorschriften müssten die Parlamente selbst entscheiden. Der Geschäftsführer der Linken-fraktion, Jan Korte, kritisiert, dass die Regierung den Eindruck erwecke, dass ihr Parlamentsrechte eher lästig seien. „Wenn es um Freiheitsbeschränkungen geht, um verpflichtende Verhaltensregeln, um den internationalen oder innerdeutschen Verkehr, dann muss das in der Öffentlichkeit, im Parlament diskutiert und abgestimmt werden“, so Korte. Das empfehle sich nicht zuletzt auch deshalb, weil Transparenz die Akzeptanz erhöhe. Fdp-innenpolitikerin Linda Teuteberg macht klar, dass die Abwägung, in die Grundrechte der Bürger so wenig wie möglich und so viel wie nötig einzugreifen „grundsätzlich Sache des Parlaments“sei. Grünen-geschäftsführerin Britta Haßelmann forderte einen interdisziplinär besetzten, wissenschaftlichen Pandemierat mit Expertinnen und Experten aus dem medizinischen, sozialwissenschaftlichen und juristischen Bereich.
„Wenn es um Beschränkungen der Freiheit geht, muss das im Parlament abgestimmt werden“Jan Korte Geschäftsführer der Linken-fraktion