Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Die biologische Vielfalt geht stark zurück
Der erste umfassende Eu-bericht zur gegenwärtigen Lage der Natur in ganz Europa zeichnet ein dramatisches Bild.
KOPENHAGEN (dpa) Die Natur in Europa ist bedroht – und das gleich von mehreren Seiten. Intensive Landund Forstwirtschaft verdrängen viele Tier- und Pflanzenarten. Eine Ausbreitung der Siedlungsgebiete zerstört spezielle Lebensräume wie Dünenlandschaften und felsige Gebiete, die Umweltverschmutzung tut ihr Übriges. Dadurch geht die biologische Vielfalt weiter drastisch zurück, wie ein in Kopenhagen vorgestellter Bericht der Eu-umweltagentur EEA zeigt.
Demnach treten die Mitgliedstaaten beim Schutz der Biodiversität trotz einiger Bemühungen und manchen Verbesserungen insgesamt weiter auf der Stelle. Der Erhaltungszustand der meisten geschützten Arten und Lebensräume sei weiterhin unzureichend, während bei vielen die Bestände nach wie vor zurückgingen. Eine Mehrheit der Eu-weit geschützten Arten wie der Würgfalke und der Rotfisch sowie Lebensräume wie Grünflächen und Dünen stünden somit vor einer ungewissen Zukunft, wenn sich nicht schnell etwas ändere. Naturschutzrichtlinien und Umweltvorschriften würden dabei nicht ausreichend umgesetzt. Auf lokaler Ebene gebe es jedoch Lichtblicke.
„Unsere Beurteilung zeigt, dass der Schutz der Gesundheit und Widerstandsfähigkeit der Natur in Europa sowie das Wohlergehen der Menschen fundamentale Veränderungen erfordert“, erklärte Eea-generaldirektor Hans Bruyninckx. Es müsse sich grundlegend etwas dabei ändern, wie Lebensmittel hergestellt und konsumiert, Wälder verwaltet und genutzt sowie Städte gebaut würden. Diese Bemühungen müssten unter anderem mit einer besseren Um- und Durchsetzung des Naturschutzes und zunehmend ambitionierten Klimaschutzmaßnahmen vor allem im Transportund Energiewesen einhergehen.
Der Bericht ist nach Eea-angaben die umfassendste Datensammlung, die jemals in Europa zum Zustand der Natur unternommen wurde. Er umfasst den Zeitraum 2013 bis 2018 und basiert auf Angaben der
Eu-länder zum Arten- und Lebensraumschutz in ihren Gebieten.
Deutschland habe wie andere Eu-staaten mehr Naturräume und Arten in mangelhafter bis schlechter als in guter Verfassung gemeldet, sagte Eea-experte Carlos De Oliveira Romao. Bei rund einem Drittel der Brutvögel gehe dort der Bestand zurück, während sich der Anteil der stabilen Bestände von 24 auf 31 Prozent erhöht habe. Besserungen sehe man etwa bei den Singschwänen, Kleibern und Graugänsen.
Zwei Projekte hätten zudem dabei geholfen, den Maifisch im Rhein erfolgreich wiedereinzuführen. Das ist eins von einigen lokalen Positivbeispielen. Diese müssten aber in Anzahl und Umfang deutlich gesteigert werden, um die Gesamtsituation umzukehren, sagte Romao. Dass sich in den vergangenen sechs Jahren im Grunde nicht wirklich etwas getan habe, sei eine schlechte Nachricht. „Es gibt keine signifikanten Verbesserungen. Das sind beunruhigende Neuigkeiten“, sagte er.
Die Verfassung von 63 Prozent der fast 1400 Arten, die unter die sogenannte Fauna-flora-habitat-richtlinie 92/43/EEC fallen, ist mangelhaft oder schlecht. Bei den Lebensräumen sieht es noch düsterer aus: Dort ist der Status für 81 Prozent nicht ausreichend und nur für 15 Prozent gut. Wälder weisen dabei noch die besten Trends auf, während sich diese bei Wiesen, Dünen und Mooren stark verschlechtern.
Auch in Brüssel ist man sich der Lage bewusst. Die Verpflichtungen aus der neuen Biodiversitätsstrategie müssten dringend erfüllt werden, um diesen Rückgang umzukehren – „zum Nutzen von Natur, Menschen, Klima und der Wirtschaft“, so Eu-umweltkommissar Virginijus Sinkevicius. Die Eu-kommission um ihre Chefin Ursula von der Leyen hat im Mai die neue Eu-biodiversitätsstrategie 2030 ausgegeben. Mindestens 30 Prozent der Land- und Meeresfläche in der EU sollen demnach bis 2030 unter Schutz gestellt werden. Derzeit sind es rund 18 Prozent.