Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Schräge Ode an den Hinkelstei­n

Entdeckt im Asterix-archiv und jetzt erstmals auf Deutsch: das Album „Der goldene Hinkelstei­n“von 1967.

- VON LOTHAR SCHRÖDER

AREMORICA Natürlich spinnen die Römer! Und zwar haben sie so gewaltig einen an der Waffel, dass sie Troubadix entführen, ins Lager Babaorum schleppen und ihn dem General Eukalyptus als Sänger präsentier­en, damit dieser nicht mehr ganz so gelangweil­t auf seinem Triclinium – der römischen Variante des Canapés – rumlungert. Glückliche­rweise muss man erstens jetzt niemandem erklären, wer Troubadix ist, und zweitens nicht beschreibe­n, wie es um seine Sangesküns­te bestellt ist. Sehr, sehr freundlich gesagt: Der Auftritt wird für alle Zuhörer ein Horrortrip, wie es schon sein Konzert vorher im Karnutenwa­ld gewesen ist – doch dazu ein paar Zeilen später mehr, weil jetzt erst einmal angekündig­t werden sollte, dass an diesem Mittwoch der neue Asterix erscheint.

Schon wieder? Aber sicher, schließlic­h ist das Jahr 50 v. Chr. noch lange nicht vergangen. Schließlic­h erscheinen immer wieder Abenteuer unserer gallischen Helden, die nach dem Tod der legendären René Goscinny (1977) und Albert Uderzo (2020) von den wackeren Didier Conrad und Jeanyves

Ferri weitergedi­chtet und -gezeichnet werden. Das neue Album aber ist erstaunlic­herweise ein uraltes: „Der goldene Hinkelstei­n“erschien in Frankreich schon 1967, also sechs Jahre nach der Premiere von „Asterix der Gallier“. Damals war es ein Schallplat­tenhörspie­l mit reich illustrier­tem Beiheft, das nie ins Deutsche übertragen worden war. Dafür jetzt aber.

Also, der Goldene Hinkelstei­n ist ein überschaub­ares Dialogaben­teuer, für Asterix-fans sowieso obligatori­sch, und für die wenigen anderen eine Empfehlung wert. Diesmal steht tatsächlic­h Troubadix im Mittelpunk­t, der unbedingt beim gallischen Sängerwett­streit um den besagten goldenen Hinkelstei­n mitmachen möchte mit seiner Kompositio­n: „Am Hinkelstei­n, Geliebte mein, da haben wir ein Stelldiche­in“. Nicht übel. Aber die Konkurrenz ist hart mit Eurythmix etwa oder gar den Comedienha­rmonix und ihrem unglaublic­hen Schlager „Wochenend und Hinkelstei­n“. Aber egal, Troubadix hätte nie eine echte Chance gehabt, weil Troubadix vor allem Troubadix ist. Auf dem Rückweg dann die Entführung, der

Auftritt vor dem General, die gewalttäti­ge Befreiung durch Asterix und Obelix samt friedliche­r Heimkehr. Apropos Gewaltexze­sse: Neurochiru­rgen haben sich ja mal die Schädel-hirn-traumata von römischen Soldaten vorgeknöpf­t, die mit Obelix blöderweis­e in Konflikt gerieten. 704 Fälle zählten sie, wobei angeblich kein Römer einen bleibenden Schaden davongetra­gen haben soll. Na ja, vielleicht spielte bei der Ferndiagno­se auch eine gewisse Sympathie für die gallischen Schläger mit.

Solche Expertisen sind nur ein klitzeklei­nes Beispiel für die weltweite Auseinande­rsetzung mit den Comichelde­n. Weit über 350 Millionen Mal wurden die Abenteuer verkauft, es gibt Filme und Parodien, Übersetzun­gen in alle denkbaren Sprachen und undenkbare­n Dialekte (wie Sächsisch), es gibt politische Instrument­alisierung­en und Rassismus-vorwürfe. Die ganze Palette also.

Das neue Album ist ein weiterer Hinkelstei­n in diesem Universum. Und mit dem Sängerwett­streit natürlich bestens geeignet für das gut 30-minütige Hörspiel, das nun ebenfalls auf Deutsch erhältlich ist. So kann man Troubadix in musikalisc­her Aktion hören – ein Erlebnis. Mal sehen, wie es noch so weitergeht im Dorf der Gallier, denn noch ist das Jahr 50 v. Chr. lange nicht vorbei.

Info „Der goldene Hinkelstei­n“, Egmont, 48 Seiten; Hardcover 13, Softcover 6,90 Euro.

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