Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Für Borussia beginnt die Belohnung
In der Champions League fordert Marco Rose von seiner Mannschaft: „mutig sein“. Gegen Inter Mailand sollen die Fohlen das Motto ihres Trainers mit Leben füllen. Vorbild könnte eine andere italienische Mannschaft sein.
MAILAND Der italienische Fußball hat das Mailänder „Derby della Madonnina“, das Duell zwischen Inter Mailand und Juventus Turin („Derby d’italia“), dazu die Nord-süd-rivalität, die sich zu Zeiten Diego Maradonas zu einem „Neapel gegen alle“zuspitzte. Und der italienische Fußball hat seit geraumer Zeit Atalanta Bergamo, eine der besten Geschichten des europäischen Fußballs, fast schon märchenhaft. Als im August die 90. Minute des Champions-league-viertelfinals gegen Paris Saint-germain anbrach, führte Bergamo noch, wenige Angriffe später das Aus, 1:2. Es war nicht fair.
Um ein Haar wäre Borussia Mönchengladbach mit Atalanta in einer Gruppe gelandet, mit der Mannschaft, die zum großen Vorbild taugt für Außenseiter mit Ambitionen in der Königsklasse. Doch dann schnappte der FC Midtjylland aus Dänemark den Borussen die Gruppe D mit dem FC Liverpool, Ajax Amsterdam und eben Atalanta Bergamo
weg. Die Gladbacher Loskugel musste in Gruppe B abbiegen, mit Real Madrid, Schachtar Donezk und dem Auftaktgegner am Mittwochabend (21 Uhr/live bei Dazn): Inter Mailand.
Das war sportlich keine so schlechte Wendung. Aber knapp drei Wochen des Hinfieberns sind nun vorbei, es wird ernst im Giuseppe-meazza-stadion. Nach einem 0:3 beim FC Sevilla und einem 0:4 bei Manchester City soll der Start ins dritte Champions-league-abenteuer diesmal nicht in die Hose gehen. Die Gladbacher Trainer hießen bislang Lucien Favre und André Schubert, Marco Rose folgt ihnen.
Der sagt: „Wir freuen uns, aber sich nur zu freuen, reicht halt nicht.“Womit wir wieder bei Bergamo wären. Rose wiederholt wie ein Mantra, worauf es gegen die Großen ankomme. „Man sagt immer, bevor man bei Bayern München oder Borussia Dortmund spielt: ‚Wir wollen mutig sein!‘ Aber das muss man dann auch machen“, stellte er vor dem Abflug nach Mailand klar.
Unter Favre mutierten die Fohlen einst zu „Borussia Barcelona“, für die Champions League wäre „Borussia Bergamo“kein verkehrtes Ziel. Der Underdog hat die Großen mit seinem Vorwärtsdrang und manch einem unkonventionellen Taktik-kniff überrascht. Doch Gladbachs Auftakthürde rangiert irgendwo zwischen Sevilla 2015 und Man City 2016, wird also schwer zu überwinden sein. „Wer sich die letzten Monate ein bisschen mit Inter Mailand beschäftigt hat, der wird wissen, dass das eine Mannschaft ist, die momentan weit vorne mit dabei ist in Europa“, sagt Rose.
Die Ermutigung, mutig zu sein, erhält er von einem ehemaligen Mitspieler aus Mainzer Zeiten, der am Mittwoch Borussias Spiel gegen Inter für den Streamingsender Dazn begleiten wird. „Jetzt beginnt die Belohnung für die starke letzte Bundesliga-saison“, sagt Ralph Gunesch im Gespräch mit unserer Redaktion. Der Ex-profi schwärmt zwar von den Qualitäten eines Romelu Lukaku (sieben Tore in sieben Saisonspielen für Inter und Belgien) und der „taktischen Intelligenz“des Trainers Antonio Conte. Er betont aber auch: „Das Ganze nur als Groundhopping zu sehen, passt nicht zu Gladbach 2020 und nicht zu Marco Rose.“
Er könne sich auch nicht vorstellen, dass Borussia angesichts der großen Namen des Gegners plötzlich zu mauern anfängt. Gunesch findet: „Defensiv ist Inter verwundbar.“Es wird auch Rose und seinem Trainerteam in der Analyse aufgefallen sein. Da mehrere Corona-infektionen
Inters Abwehr geschwächt haben, musste beim 1:2 im Derby gegen den AC Mailand Aleksandar Kolarov in der Dreierkette verteidigen. Seine grauen Haare lassen den Serben noch deutlich älter aussehen als 34 Jahre.
Die Schwarz-blauen haben nach vier Spieltagen in der Serie A ein Torverhältnis von 11:8 (Atalanta Bergamo steht bei spektakulären 14:9 Treffern). Von Borussias Duell mit Inter darf also einiges erwartet werden. „Wir müssen frech sein, unangenehm und das konstant auf den Platz bringen“, sagt Rose, dessen Topspiel-bilanz mit Gladbach ausbaufähig ist. Gegen Bayern, Dortmund, Leipzig und Leverkusen gab es zwei Siege in zehn Spielen. Das Aufeinandertreffen mit Inter ist das elfte mit einem Champions-league-team. Und was für eines.
Lediglich die Kulisse sorgt für einen Wermutstropfen: In San Siro muss Borussia ohne ihre reisefreudigen Fans und vor überhaupt nur 1000 Zuschauern antreten.