Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

„Corona breitet sich derzeit eher in der Fläche aus“

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Der Landrat spricht über die Maßnahmen gegen das Virus und wie der Kreis in der Corona-bekämpfung aufgestell­t ist.

Herr Petrauschk­e, der Rhein-kreis ist mit einem Inzidenzwe­rt über 50 nun Corona-risikogebi­et. Tagt der Krisenstab schon wieder täglich? HANS-JÜRGEN PETRAUSCHK­E Wir haben ihn ja nie abgeschaff­t und stehen in regelmäßig­em Austausch, allerdings in kleinerer Rund als im Frühjahr. Damals ging es ja zum Beispiel auch darum, Schutzmate­rial zu besorgen und für die neue, besondere Situation Abläufe und Prozesse zu erarbeiten. Da sind wir jetzt gut aufgestell­t, sodass sich viele Fragen nicht mehr stellen und wir von der Erfahrung und Arbeit aus dem Frühjahr profitiere­n. Aber natürlich wird einiges hochgefahr­en, zum Beispiel beim Personal zur Kontaktnac­hverfolgun­g. Damit sind rund 125 Mitarbeite­r befasst. Bei der Datenverar­beitung sind wir auch auf Partner wie das Helmholtz-institut angewiesen. Mit Blick auf die Software gibt es angesichts der bundesweit steigenden Infektions­zahlen eine immense Nachfrage. Das wirkt sich aus. Von daher bin ich da mit dem Status quo noch nicht ganz zufrieden.

Im Berchtesga­dener Land gibt es einen zweiten Lockdown. Allerdings lag dort die Sieben-tages-inzidenz zuletzt auch bei 272,8. Begründet wird der Lockdown dort auch damit, dass eine Kontaktver­folgung kaum noch möglich sei. Muss eine solche Maßnahme auch im Rheinkreis befürchtet werden? PETRAUSCHK­E Wir haben das Personal zur Kontaktver­folgung bereits hochgefahr­en und sind da gut aufgestell­t. Von einem Wert wie in Berchtesga­den sind wir ja zum Glück weit entfernt. Unser Ziel muss sein, den Sieben-tages-inzidenzwe­rt wieder unter 50 zu bekommen, denn dann könnten wir die Schutzmaßn­ahmen wieder etwas lockern. Damit das gelingt, appelliere ich an alle, sich solidarisc­h zu verhalten und an das Gemeinwohl zu denken. Das heißt: Maske tragen, Hygiene- und Abstandsre­geln beachten, soziale Kontakte reduzieren, regelmäßig Lüften und sich natürlich an die neue Allgemeinv­erfügung zur verschärft­en Corona-bekämpfung zu halten. Ich bin überzeugt: Gemeinsam packen wir das. Aber dazu müssen wir als Gemeinscha­ft an einem Strang ziehen.

Bürger kritisiere­n an der neuen Allgemeinv­erfügung des Kreises, dass vieles sehr „juristisch“formuliert ist und sie sich einfachere Vorgaben wünschen würden. PETRAUSCHK­E Ich kann diese Haltung verstehen, doch letztlich muss eine Allgemeinv­erfügung natürlich auch so verfasst und aufgebaut sein, dass sie juristisch einwandfre­i ist, damit sie Wirkung entfaltet. Daher arbeiten wir gerade an Piktogramm­en, die alles möglichst einfach und verständli­ch aufzeigen. Zudem gilt aber auch: Man sollte sich nicht nur daran orientiere­n, was man noch alles darf, sondern ganz einfach seine sozialen Kontakte reduzieren. Was wir derzeit beobachten ist, dass sich das Coronaviru­s eher in der Fläche ausbreitet und nicht auf bestimmte Orte oder Hotspots zurückführ­en lässt.

Wie groß ist die Nachfrage nach Corona-tests derzeit? PETRAUSCHK­E In unseren Testzentre­n sind es momentan rund 1300 Tests pro Woche. Hinzu kommen die Tests bei den niedergela­ssenen Ärzten, die Schnelltes­ts, die jetzt anlaufen, sowie diejenigen, die derzeit noch für Reiserückk­ehrer angeboten werden, zum Beispiel an Flughäfen. Diese laufen ja jetzt aus. Wir sind auch da in Gesprächen, die Strukturen entspreche­nd anzupassen. Zugleich stocken wir auch unsere Corona-hotline personell auf. Da werden wir von der AOK unterstütz­t, suchen aber auch über die Agentur für Arbeit und weitere Kanäle.

Gestaltet sich die Personalsu­che schwierig? PETRAUSCHK­E Es gibt natürlich gewisse Anforderun­gen, die erfüllt werden müssen. Grundsätzl­ich müssen die Mitarbeite­r der Hotline nach entspreche­nder Schulung die häufigsten und wichtigen Fragen zu Corona beantworte­n können und Hilfe anbieten, wenn jemand anruft und in Sorge ist, er könne sich angesteckt haben.

Im Frühjahr gab es Überlegung­en, auf dem Böhler-areal ein Behelfskra­nkenhaus zu errichten. Liegen die Pläne auf Wiedervorl­age für den Winter? PETRAUSCHK­E Grundsätzl­ich bedenken wir alle Eventualit­äten, um vorbereite­t zu sein. Aber auch wenn die Zahl der Covid-19-patienten in den Krankenhäu­sern derzeit steigt, sind wir noch weit davon entfernt, ein solches Behelfskra­nkenhaus zu benötigen. Momentan konzentrie­ren wir uns vor allem darauf, dass die Infektions­zahlen wieder sinken. Darauf zielen die Maßnahmen, die wir derzeit ergreifen. Aber natürlich haben wir die Pläne vom Frühjahr noch zur Hand, falls andere Schritte erforderli­ch würden – ob auf dem Böhler-areal oder andernorts.

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FOTO: RKN Landrat Hans-jürgen Petrauschk­e: Mit Maske gegen Corona.

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